Laut der Bundesärztekammer ist die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärztinnen und Ärzte im Jahre 2018 um rund 3.500, auf annähernd 55.000 gestiegen. Diese Entwicklung ist gewollt und wird durch die Bundesregierung gefördert. Das geht auch aus einer Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage eines AfD-Abgeordneten hervor. Darin heißt es: „Die Bundesregierung begrüßt die zunehmende Bereitschaft […] ausländischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland tätig zu sein und verweist auf zahlreiche Maßnahmen, um die Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit in Deutschland weiter zu erhöhen.“
Um den Start ins Berufsleben in Deutschland zu erleichtern, hat die Regierung das Fachkräfteeinwanderungsgesetz geschaffen, das seit dem 1. März 2020 gilt. Es soll den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern schaffen. Für Krankenhäuser könnte das Gesetz nützlich sein, weil es das Fachkräfteverfahren und damit deren Zulassung als Ärzte in der Klinik beschleunigen soll. Allerdings kommt es dabei immer wieder zu Problemen.
„Die echte Arbeit beginnt erst nach dem Jobstart der ausländischen Fachkräfte“
Health Relations: Was sind typische Fehler, die Krankenhäuser bei der Auslandsrekrutierung machen?
Dr. Lars Holldorf: Viele Krankenhäuser denken immer noch, dass Erfolg oder Misserfolg bei der Auslandsrekrutierung in der Rekrutierung selbst liegt. Meine Erfahrung in diesem Gebiet seit 2010 sowie zahlreiche Experten-Interviews mit Personalleitern, ärztlichen Direktoren und Pflegedirektoren zeigen jedoch, dass dies ein Irrtum ist.
Health Relations: Was machen hier die erfolgreichen Kliniken besser?
Dr. Lars Holldorf: Die wenigen wirklich erfolgreichen Krankenhäuser haben erkannt, dass bei der Auslandsrekrutierung die echte Arbeit erst nach dem Jobstart beginnt und sich Erfolg oder Misserfolg vor allem aus erfolgreichem Onboarding und einer gut durchdachten und auch wirklich umgesetzten Integrationsstrategie ergibt.
Health Relations: Gibt es weitere Fehler, die Krankenhäuser machen?
Dr. Lars Holldorf: Ein weiterer Irrtum ist, dass die gesetzlich bzw. formell geforderten Sprachkenntnisse für den Berufsalltag bereits ausreichen. Das ist leider definitiv nicht der Fall, sodass in den ersten Monaten in Deutschland auch die weitere Verbesserung der Sprache trainiert werden sollte. Außerdem passiert die Auswahl der Vermittlungsagenturen – auch bei größeren Krankenhausgruppen – nicht selten zu unkritisch. Ich selbst vermittle den von mir ausgebildeten Spezialisten für Auslandsrekrutierung bzw. Integrationsmanagern z.B. eine Checkliste mit 25 Punkten, die idealerweise vor dem Engagement bzw. der Beauftragung abgeprüft werden sollten. Hier mehr Zeit zu investieren, macht sich später auf jeden Fall mehrfach bezahlt.
„Generell ist es wichtig zu akzeptieren, dass Auslandsrekrutierung derart komplex ist, dass es nicht einfach nebenbei laufen kann.“
Health Relations: Was ist mit den Unterschieden zwischen inländischer und ausländischer Rekrutierung. Ist den Kliniken klar, welche Unterschiede es gibt?
Dr. Lars Holldorf: Nein, häufig wird unterschätzt, wie stark sich Inlands- und Auslandsrekrutierung voneinander unterscheiden. Und auch die Integrationsmanager bzw. Teammitglieder für die Auslandsrekrutierung werden leider noch zu selten optimal ausgewählt. In letzter Zeit wurden häufiger Personen mit Migrationshintergrund dafür eingestellt. Sicherlich haben diese die persönliche Erfahrung der Migration vorzuweisen, doch für die Kommunikation innerhalb der Klinik und mit Behörden sowie die interkulturelle Vorbereitung auf Deutschland ist das kein hinreichendes Qualifikationskriterium. Ein weiteres Phänomen, das aktuell durch große Projekte im Pflegebereich eine hohe Bedeutung erlangt, ist das Thema Alltagsrassismus. Vielerorts wurde nämlich vergessen, auch das heimische Team auf die wachsende Anzahl an neuen ausländischen Kollegen vorzubereiten.
Health Relations: Wie können Kliniken ausländische Fachkräfte besser beim Ankommen unterstützen?
Dr. Lars Holldorf: Die meisten Krankenhäuser haben bislang generell keinen richtigen Onboarding-Prozess und daher auch nicht für ausländische Fachkräfte im Speziellen. Was den ausländischen Fachkräften hilft, ist generell Training, Informationen und Antworten auf ihre offenen Fragen. Allerdings nicht alles erst zum ersten Arbeitstag, sondern am besten – verstanden als sogenanntes Pre-Boarding – schon einige Wochen vor dem Arbeitsstart. Auch das geht übrigens ganz gut per E-Learning.
Health Relations: Was können denn Kliniken tun, um die vorher genannten Fehler zu vermeiden?
Dr. Lars Holldorf: Generell ist es wichtig zu akzeptieren, dass Auslandsrekrutierung derart komplex ist, dass es nicht einfach nebenbei laufen kann. Ein Arbeitgeber, der damit erfolgreich sein möchte, sollte daher unbedingt Mitarbeiter dafür einplanen und bereitstellen. Die ausländischen Fachkräfte haben immer viele Fragen und je besser sie anfangs an die Hand genommen werden, desto größer sind die langfristigen Erfolgschancen im Sinne einer langen Verweildauer beim Arbeitgeber. Auch weiteres Training – v.a. in Sachen Sprache und beim fachlichen Wissen – sollte in den ersten Monaten standardmäßig Programmbestandteil sein. So können die neuen Kollegen schneller ihr volles Potenzial abrufen und das heimische Team unterstützen. Und schließlich reicht es nicht, wenn ein Onboarding-Konzept nur vom Team Auslandsrekrutierung und Integration erstellt und umgesetzt wird. Es muss auch von den aufnehmenden Abteilungen akzeptiert und umgesetzt werden.