Neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung?

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Young Excellence in Healthcare diskutierte die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche

Durch die Digitalisierung müssen sich auch Traditionsunternehmen im Gesundheitsmarkt neu positionieren, und junge Führungskräfte können kräftig mitgestalten. Ein guter Anlass für das Netzwerk Young Excellence in Healthcare, sich zum Thema „Digitalisierung: Ein Blick auf neue Kommunikations- und Geschäftsmodelle“ auszutauschen.

Die deutsche Wirtschaft boomt, und zahlreiche Unternehmen auch im Gesundheitswesen sind derzeit auf der Suche nach Fach- und Führungskräften – und das immer stärker mit einer digitalen Ausrichtung. Zudem haben auch Unternehmen wie Google, Apple & Co. die Digitalisierung im Gesundheitsmarkt für sich entdeckt und drängen mit innovativen Lösungen für Patienten und Leistungserbringer in den Markt. Die „traditionellen“ Stakeholder im Gesundheitsmarkt stehen vor neuen Herausforderungen und müssen sich neu positionieren. Beste Chancen also für junge Führungskräfte, die Zukunft des Gesundheitswesens aktiv mitzugestalten.

Gemeinsam Digitalisierung gestalten

Alexander Frenzel kennt sich aus mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen
Alexander Frenzel, Engagement Manager Technology & Applications bei QuintilesIMS

Für Young Excellence in Healthcare (YEH) eine gute Gelegenheit, einen Blick in neue Märkte und Technologien zu werfen und deren Bedeutung für die Healthcare-Branche zu diskutieren. Unter dem Motto „Digitalisierung: Ein Blick auf neue Kommunikations- und Geschäftsmodelle“ lud das Netzwerk im Herbst 2017 erneut nach Berlin ein. Das Treffen, das durch die Kooperation mit den Partnern IMSQuintiles, Peix und dem Deutschen Ärzteverlag ermöglicht wurde, war einmal mehr gekennzeichnet durch den intensiven Austausch der Mitglieder unter einander, aber auch durch Best Practices aus der Industrie.

Die ambivalente Diskussion über die digitale Realität blieb dabei natürlich nicht aus. „Digitalisierung wird irgendwann alles durchdrungen haben – dann geht es nicht mehr um die Frage, ob wir es machen, sondern nur darum wie wir es gemacht haben“, konstatierte Alexander Frenzel, Engagement Manager Technology & Applications bei QuintilesIMS und Partner von YEH. Marketingstrategien müssten neu durchdacht werden und sich weiter entwickeln. „Wir sprechen hier nicht von einer Revolution, sondern von einer Evolution“, betonte Frenzel.

Was Zielgruppen wollen

HCPs möchten auf digitalen Wegen Informationen – sie bekommen sie aber nicht so, wie sie sie brauchenDabei gilt es, den Mix gut auszusteuern. Dies ginge allerdings nur, wenn man seine Zielgruppe ganz genau kennt. „Wir müssen in die Daten und Analysen rein und klären, wie viel Prozent der Kontaktpunkte über einen bestimmten Kanal laufen und wie wir ihn im Sinne der Kundenbedürfnisse nutzen können“, so seine Empfehlung. Hier herrsche nach wie vor ein massiver Miss-Match. Die Meinung „Ärzte seien nicht digital“ teilte Frenzel nicht: „HCPs möchten auf digitalen Wegen Informationen, sie bekommen sie aber nicht so, wie sie sie bräuchten.“

Um das Userverhalten der Fachgruppen noch besser kennenzulernen, startete daher ein Projekt, indem das eMarketing an HCPs näher unter die Lupe genommen werden soll. Denn letzten Endes ginge die Frage über die reine Bereitstellung von Informationen weit hinaus. Daten müssten gesichtet und analysiert werden, um überhaupt eine Basis für die Ansprache der Zielgruppe zu haben. „Man muss seine Kunden ganz genau kennen, um relevanten Content in relevanten Kanälen bereits stellen zu können“, erklärte Frenzel.

Verzahntes Content- und Channel Management

Tom Renneberg ist der Gründer von esanum und Experte für Digitalisierung
Tom Renneberg

Einer, der seine Zielgruppe wirklich gut kennt, ist Tom Renneberg. 2007 gründete er mit esanum eine Art Facebook für Ärzte und erreicht heute mit seinem Netzwerk knapp 263.000 Ärzte in Europa. Er teilte die Meinung von Frenzel und ging in seinem Vortrag sogar noch einen Schritt weiter: „Die Bereitstellung von Informationen ist das eine, doch die Aktivierung der Ärzte stellt eine ganz andere Herausforderung dar.“ Gemeinsam mit seinem Team hat er sich daher auf die Suche nach einem Weg gemacht, die digitalen Möglichkeiten mit den Bedürfnissen der Ärzte zusammenzubringen. So entstand 2016 die Kongress-Seite von esanum.

„Etwa 80 Prozent der Mediziner nutzen regelmäßig Kongresse, Symposien und Tagungen, um sich zu informieren und CME-Punkte zu sammeln“, erklärte er in seinem Vortrag. Doch aufgrund steigender Kosten und weniger Zeit verzichten immer mehr Ärzte auf Veranstaltungen. Der Need sei aber nach wie vor vorhanden. Auf der neuen Seite können Unternehmen nun den Kongress zum Arzt bringen. „Auf Medizinkongressen werden häufig neue Studien, Forschungsergebnisse und Therapieansätze vorgestellt, die erst Wochen oder Monate später in Fachpublikationen erscheinen. Wir wollen vor allem diejenigen Ärzte, die nicht teilnehmen können, noch am selben Tag über die Kongresse informieren„, beschrieb Renneberg. Das Angebot reicht von aufbereiteten Vorträgen über Video-Interviews mit Referenten bis zu Hintergrundberichten. „Wir stellen Unternehmen, Fachgesellschaften und Ärzteverbänden in unserem Mitgliederbereich damit eine zusätzliche Plattform zur Verfügung, um Mediziner derjenigen Fachbereiche zu erreichen, die für sie relevant sind.“

Digitale Trends und Herausforderungen

Julian Weinert, ein weiterer Experte für Digitalisierung in Healthcare
Julian Weinert, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Ambulance

Wie weit der digitale Trend gehen kann und was uns in Zukunft womöglich noch erwartet, zeigte Julian Weinert, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Ambulance. Er befeuerte die Diskussion rund um die Frage nach der Digitalisierung, indem er noch einmal ganz gezielt auf die Begriffsklärung der „digitalen Transformation“ einging und die Frage stellte, ob die Digitalisierung nur ein Trend sei oder gar mehr dahinter steckt. Dabei führte er nicht nur auf, welche Technologien uns in Zukunft noch begegnen könnten, sondern auch, wie sich Zielgruppen verändern werden. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Entscheidung für oder gegen eine medizinische Behandlung sich künftig noch stärker in Richtung Patient verlagern wird.“

Der Informationsfluss mache längst keinen Halt mehr vor der Arztpraxis und stehe längst nicht mehr nur einem ausgebildeten, medizinischen Fachpublikum zur Verfügung. „Der empowerte Patient traut den Ärzten nicht mehr und stellt kritische Fragen“, so seine Meinung. Eine gewagte These? Ein Teil der Teilnehmer berichtete bereits von ersten Erfahrungen. Der andere Teil blieb dagegen eher verhalten, vor allem, wenn es sich um komplexe Indikationen handele. Doch Weinert ging noch weiter und präsentierte einen Querschnitt der digitalen Möglichkeiten und Bewegungen der letzten Wochen und Monate. Doch er betonte auch: „Die Mitarbeitenden sind Stakeholder Nummer 1 – nur, wenn sie einbezogen werden, kann die digitale Transformation auch im Unternehmen gelingen.“

Digitale Lösungen für die Patientenversorgung

Der Pfizer Healthcare Hub ist bereits ein gutes Beispiel der Healthcare-Industrie zur Nutzung digitaler Technologien für ein Angebot, das den Bedürfnissen der Zielgruppe entspricht und die Gratwanderung der Miterabeiterintegration bereits umgesetzt hat. „Apps, Wearables, Telemedizin – die Digitalisierung ist mit vielen neuen und kreativen Lösungen im Gesundheitswesen angekommen„, erläuterte Jutta Klauer, Senior Manager Digital Comminications bei Pfizer. „Um das große Potenzial der neuen Technologien bestmöglich zu nutzen, haben wir 2014 das Berlin Healthcare Lab ins Leben gerufen.“ Was als lokales Lab gestartet ist, hat sich mittlerweile zu einem globalen Hub entwickelt. Gemeinsam mit Start-ups möchte Pfizer durch „Co-Creation“ digitale Lösungen entwickeln, die eine sinnvolle Ergänzung zu Therapien und Produkten darstellen.

Um den Austausch mit der Start-up-Szene zu fördern, hat das Unternehmen darüber hinaus neue Dialogformate wie die Start-up-Sprechstunde entwickelt – eine Veranstaltungsreihe für Kommunikation auf Augenhöhe, von dem beide Seiten profitieren. Pfizer-Mitarbeiter geben Einblicke in wichtige Themen der pharmazeutischen Industrie, Vertreter der Start-ups erhalten Antworten auf ihre Fragen und stellen ihre Ideen und Projekte vor. „So wird Expertenwissen geteilt – und vermehrt. Auf der Agenda stehen Themen wie Medikamentenentwicklung, Datenschutz oder die Strukturen des Gesundheitswesens“, erklärte Klauer.

YEH und die Digitalisierung in der Healthcare-Branche
Juliane Zielonka im Gespräch beim YEH-Herbsttreffen

Juliane Zielonka, in der Szene als Digital Health Entrepreneur bekannt, gab ergänzend dazu einen Einblick in den immer weiter wachsenden Start-up-Bereich rund um Healthcare-Themen. In diesem Zusammenhang stellte sie das Netzwerk Berlin Health 2.0 vor. „Das Netzwerk konzentriert sich auf Innovationen in der Bereitstellung von Gesundheits- und Gesundheitstechnologien„, erklärte sie. Es möchte eine Community rund um Healthcare 2.0 in Berlin schaffen und eine Plattform bieten, um Ideen zur Verbesserung der Patientenversorgung austauschen, diskutieren, vorstellen und entwickeln zu können.

Bild von Tom Renneberg: © esanum
Bild von Julian Weinert: © Ambulance
Alle weiteren Bilder: © YEH

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