IDS 2019: VDDI-Vorstandsvorsitzender Mark Stephen Pace im Interview

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Der VDDI-Vorstandsvorsitzende Mark Stephen Pace gibt einen Ausblick auf die IDS 2019
Mark Stephen Pace, VDDI-Vorstandsvorsitzender © VDI

Neuerungen und teils rasante Fortentwicklungen auf sehr vielen Gebieten der Zahnmedizin verspricht Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des VDDI, den Besuchern der IDS 2019. Ein Ausblick auf die weltweit größte Dentalmesse und die Zahnarztpraxis von morgen.

Health Relations: Die IDS 2019 stößt wieder auf großes Interesse bei Dentalunternehmen aus aller Welt. Sie rechnen mit einem erneuten Aussteller-Rekord. Wie ist der aktuelle Stand?

Mark Stephen Pace: Die Anmeldezahlen zur 38. IDS lagen Ende Juni schon deutlich über denen des Stichtages der Vorveranstaltung. Die Internationalität ist leicht gewachsen, schon jetzt haben sich 55 Länder angemeldet, 2017 waren es am Schluss 53 Länder. Zum Wachstum tragen auch die Gruppenbeteiligungen aus dem Ausland bei, es sind bislang 19. Messetechnisch gesprochen befinden wir uns von Anfang Juli bis Mitte September in der Hauptzuteilungsphase, die die Koelnmesse schrittweise abarbeitet. Noch während dieser Zeit konkretisieren sich bei etlichen, meist kleineren Ausstellern ihre Beteiligungspläne an der IDS. Eine erste vorläufige Ausstellerliste finden Interessenten zur Orientierung auf der Webseite zur IDS 2019: www.ids-cologne.de.

Health Relations: Was sind die Gründe für das stetige Wachstum?

Mark Stephen Pace: Gründe für das Wachstum liegen in der Dynamik der allgemeinen Gesundheitswirtschaft sowie dem Bereich der Mundgesundheitswirtschaft, in dem wir tätig sind, insgesamt. Die Weltgesundheitsorganisation misst der Gesundheit der Menschen einen hohen Stellenwert bei. Sämtliche Staaten sind bestrebt, ihre Gesundheitssysteme entsprechend ihren Möglichkeiten auszubauen und den Menschen immer mehr und bessere Zugänge zur Gesundheitsversorgung zu verschaffen. In vielen sich gut entwickelnden Wirtschaftsräumen sind immer mehr Menschen bereit und in der Lage, aus eigener Kraft in ihre eigene Gesundheit zu investieren. Das führt zu höherer Nachfrage und sogar zum Entstehen heimischer Hersteller, die dann mit ihren Produkten auch auf den Weltmarkt kommen, ihre Produkte also auf der IDS präsentieren wollen.

Aussteller haben die Bedeutung der IDS für sich erkannt, wir haben es einmal so formuliert: „Die IDS ist die Weltleitmesse für die dentale Community, die als Plattform für Innovationen und Markttrends nachhaltigen Erfolg sichert.“

„Digitalisierung bedeutet gerade in der Implantologie: mehr Information und mehr Kommunikationsmöglichkeiten.“

Health Relations: Im Fokus der IDS 2019 steht die Parodontitis-Therapie. Welche Neuerungen und Weiterentwicklungen erwarten die Besucher hier?

Mark Stephen Pace: In diesem Bereich stehen einem zunehmenden Behandlungsbedarf immer wirkungsvollere Optionen zu Prävention und Therapie gegenüber. Eine interessante adjuvante Maßnahme in der Erhaltungstherapie betrifft die photodynamische Therapie: Farbstoffe heften sich an Plasmaproteine, die in Membranen von Bakterienzellen vorkommen, werden mit einem Diodenlaser aktiviert*, und die entstehenden lokalen Hitzepeaks zerstören die Bakterien. Auch bei parodontalchirurgischen Eingriffen gewinnt die Laserzahnheilkunde an Bedeutung, etwa in Form eines „berührungsfreien Schnitts“**. Und bei der Geweberegeneration kommen häufiger künstliche Matrizes zum Einsatz. Sie liegen auf der Wurzeloberfläche an, tragen dort zur parodontalen Zellmigration bei und schaffen, als klinisch messbare Größe, ein Plus an Attachment.

Health Relations: Ein weiteres Schwerpunktthema ist die digitalgestützte Endodontie. Wohin geht die Entwicklung für das Endo-Team?

Mark Stephen Pace: Das endodontische Team wird größer, insbesondere praxisübergreifend. Denn die verfügbaren Verfahren machen jetzt eine digitalgestützte Vorausplanung möglich, inklusive Führungsschablonen für die Feilen – ähnlich wie die bekannten Bohrschablonen aus der Implantologie. Dies kann ein arbeitsteiligeres Vorgehen ermöglichen, indem zum Beispiel der Spezialist die Planung übernimmt und der Hauszahnarzt die Durchführung. Dabei geben ihm die Endo-Schablonen ein hohes Maß an Sicherheit.

Impressionen von der IDS 2017

Health Relations: Die Implantologie gilt als Vorreiter in der Entwicklung digitaler Technologien. Wie weit ist die Digitalisierung hier und auch in den anderen Bereichen der Zahnheilkunde inzwischen fortgeschritten?

Mark Stephen Pace: Digitalisierung bedeutet gerade in der Implantologie: mehr Information und mehr Kommunikationsmöglichkeiten. Im Extremfall können von der digitalen Abformung bis zur Druck- oder Fräs-Vorstufe alle Schritte rein digital erfolgen – können, müssen aber nicht. Je nach Patientenfall kann alternativ ein analoges oder teildigitales Vorgehen den besten Weg zum Erfolg darstellen. Die aktuellen Workflows bieten dafür enorm viele Schnittstellen: So können Chirurg, Prothetiker und Zahntechniker in unterschiedlichen Stadien Daten zwecks gemeinsamer Planung teilen beziehungsweise für den jeweils nächsten Arbeitsschritt an den betreffenden Partner im „Dreierbund“, wenn ich es mal so salopp formulieren darf, weitergegeben.

Auch in allen anderen Bereichen der Zahnheilkunde sind digitale Systeme präsent. Die Entwicklung bringt aktuell beispielsweise auch die Kieferorthopädie und die Endodontie in Bewegung. Die Totalprothetik galt bis dato als besonders schwieriges Terrain, doch stellen verschiedene Anbieter jetzt auch für dieses Gebiet computergestützte Verfahren bereit. Insbesondere für das zahntechnische Labor kann dies neue Chancen bedeuten. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass hier die Totalprothetik weithin als Teildisziplin mit besonders geringen bis negativen Margen eingeschätzt wird. Teildigitale Verfahren schicken sich nun an, eine attraktive Alternative zu bieten.

Health Relations: Welche weiteren Trends beleuchtet die IDS 2019?

Mark Stephen Pace: Die IDS ist als internationaler Branchentreff das umfassendste und aktuellste Schaufenster der medizinisch-technischen Entwicklung. Auf allen Gebieten gibt es Neuerungen und zum Teil sogar rasante Fortentwicklungen auf sehr vielen Gebieten. Ich darf an dieser Stelle den 3D-Druck herausgreifen, denn er birgt das Potenzial, noch eine Vielzahl von Werkstoffinnovationen anzustoßen, die digitalen Workflows zu beschleunigen und, zumindest in Teilen, noch sicherer zu machen sowie neue Therapieoptionen, Formen der Teamarbeit und Geschäftsmodelle hervorzubringen – ein „Game Changer“, wie man neuhochdeutsch sagen würde.

Schon heute druckt man Modelle aller Art, Zahnfleischmasken, Bohrschablonen, Guss-Designs, individuelle Abdrucklöffel, Schienen (darunter auch KFO-Aufbissschienen), Übertragungsschlüssel, Aligner-Folien und Langzeitprovisorien aus Kunststoff ebenso wie Kronen- und Brückengerüste, Stege und Prothesenbasen aus Legierungen. Nach der IDS 2019 dürfte diese Liste länger ausfallen.

„Unser höchstes Ziel ist es, dass alle an der IDS Beteiligten ihre jeweiligen Ziele erreichen können.“

Health Relations: In Ihren Umfragen schneidet die IDS bei Besuchern und Anbietern regelmäßig sehr gut ab. Sicherlich werden Sie 2019 dennoch etwas verbessern, gibt es bspw. neue Formate?

Mark Stephen Pace: Ihre Beobachtung ist völlig richtig. Wir sind sehr froh, dass unsere Aussteller und Besucher uns regelmäßig bestätigen, dass wir mit unserer zielgerichteten Messestrategie richtig liegen. Unser höchstes Ziel ist es, dass alle, wirklich alle an der IDS Beteiligten ihre jeweiligen spezifischen Ziele erreichen können. Dieses olympische Prinzip eines fairen Zugangs zur und Miteinanders auf der IDS hat uns zur Weltleitmesse gemacht. Wenn wir die Bedeutung und die Rolle der IDS für Aussteller und Besucher zusammenfassen wollen, ist „führend“ der Kernbegriff der Marke IDS, das ist unser Leistungsanspruch und unser Leistungsversprechen für heute und in Zukunft.

Es gibt von Messe zu Messe immer eine ganze Reihe von Veränderungen, Verbesserungen und Neuigkeiten, die allerdings nicht immer spektakulär sein müssen, aber dennoch die Aufenthaltsqualität für Aussteller und Besucher spürbar erhöhen.

Eine so starke Leitmesse wie die IDS ist ein Besuchermagnet und braucht daher ausreichend Platz; volle Hallen sind gut, Gedränge wollen wir vermeiden. So haben wir für die IDS 2019 erstmals die komplette Halle 5 dazu genommen. Hier haben sich mehrere große Anbieter von Produkten aus dem Bereich Consumer Healthcare angesiedelt, die vorher in der Halle 11.3 präsentiert haben. In den vergangenen Jahren hat der Besucherzustrom so stark zugenommen, dass die Hallengänge für die Warteschlagen und die Vorübergehenden zu eng geworden sind. In der neu hinzugenommenen weiteren Ebene der Halle 5 stehen ausreichend Flächen zur Verfügung, wodurch wir die Aufenthaltsqualität verbessern konnten. Die Einbeziehung der kompletten Halle sorgt dafür, dass sich die Besucherströme über vier Eingänge verteilen und auch in Stoßzeiten eine gleichmäßigen Zugang und durch den kreisförmigen Rundlauf über das Messegelände eine gute Verteilung über alle Hallen ermöglichen.

„Insgesamt stehen in Messenähe zusätzliche 3.300 Parkplätze in zwei miteinander verbundenen Gebäudeteilen zur Verfügung.“

Eine weitere Neuheit, die ebenfalls den IDS-Ausstellern und Besuchern zugute kommt, ist das neue Parkhaus der Koelnmesse an der Zoobrücke. Insgesamt stehen damit in Messenähe zusätzliche 3.300 Parkplätze in zwei miteinander verbundenen Gebäudeteilen zur Verfügung. Auf fünf Ebenen enthält das Parkhaus eine logistische Multifunktionsanlage für Pkw und Lkw. Auf der Logistikfläche im Erdgeschoss können mehrere hundert Lkw pro Tag abgefertigt werden, das kommt auch einer optimalen Verkehrslenkung während der Auf- und Abbauzeiten entgegen. Darüber hinaus befindet sich in der neuen Logistikzentrale eine komplette Zollabfertigungsstelle – darüber werden sich unsere internationalen Aussteller freuen.

Vorstand und Beirat legen auf eine behutsame Weiterentwicklung der dentalen Leitmesse IDS einen sehr großen Wert. Das bedeutet, dass wir am Bewährten festhalten, dem Neuen offen gegenüberstehen und dort, wo es für den Messeerfolg aller Beteiligten sinnvoll ist, neue Formate in das bewährte Konzept integrieren. Die Ideen dazu gehen uns nicht aus – kommen Sie auf die 38. IDS 2019 und lassen Sie sich überraschen!

Health Relations: Zum Schluss bitten wir Sie um einen Ausblick: Wie sieht Ihre Vorstellung der Praxis von morgen aus?

Mark Stephen Pace: Eine sehr interessante Frage. Spontan fällt mir eine Äußerung ein, die Mark Twain zugeschrieben wird: „Prognosen sind eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dennoch gibt es einige absehbare Trends, die wohl die zukünftige Entwicklung prägen werden. Nehmen wir die Praxisgestaltung. Moderne Praxen ähneln sehr oft Wohlfühlraumen, wie wir sie zum Beispiel auch in Galerien und Cafés so schätzen. Helle, einladende Räume im Empfangsbereich, genauso die Behandlungsräume. Frühere Praxen der Jahrhundertwende glichen oft den Wohnzimmern des wohlhabenden Bürgertums. Behandlungsstühle sahen wie einladend bequeme Sessel aus, die Praxisdekoration orientierte sich am Geschmack der Zeit, insofern waren die Zahnarztpraxen auch immer Ausdruck des Zeitgeschmacks, sie waren also immer auf der Höhe ihrer Zeit, das ist heute noch genauso.

In medizintechnischer Hinsicht werden wir die großen Trends zur Digitalisierung, Miniaturisierung und Vernetzung immer deutlicher erkennen können. So interessant es ist, in die Zukunft zu schauen, so sind es doch die überzeitlichen Konstanten, die die Behandlungsqualität ausmachen. Es sind hervorragend ausgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte, die auf dem Stand der Wissenschaft ihren Patienten die gesamte Therapievielfalt bieten können; es sind ihre ebenfalls ausgezeichnet ausgebildeten und hoch motivierten Praxismitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gemeinsam daran arbeiten, Patienten mit ihren jeweiligen Fachkenntnissen zu Diensten zu sein. Wir werden in Zukunft eine immer mehr und besser informierte Patientenschaft in den Praxen finden. Zahnärzte und zahnmedizinische Fachangestellte werden ihre noch weiter entwickelte Kommunikationsfähigkeit auch mit audio-visuellen Hilfsmitteln einsetzen, um aufgeklärten Patienten die Informationen über die gesamte Bandbreite der modernen Therapievielfalt der modernen Zahnheilkunde zu geben, die ihnen ihre Entscheidung leichter machen.

Ich freue mich auf die Zukunft, einen weiteren Blick in sie hinein werden wir auf der 38. IDS 2019 in Köln werfen können.

Health Relations: Herr Pace, vielen Dank für das Gespräch!

Der Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) wurde am 24. Juni 1916 gegründet. Heute zählt er knapp 200 deutsche Hersteller von zahnmedizinischen und zahntechnischen Produkten zu seinen Mitgliedern (DentalPlace). Seit dem 1. Januar 1969 ist der VDDI in Köln ansässig. Das Wirtschaftsunternehmen des Verbandes der Deutschen Dental-Industrie e.V. (VDDI), die GFDI Gesellschaft zur Förderung der Dental-Industrie mbH, veranstaltet alle zwei Jahre in Köln die IDS (Internationale Dental-Schau). Die Weltleitmesse der Dentalbranche wird von der Koelnmesse GmbH, Köln durchgeführt.

* typische Wellenlängen: 780-820 nm
** typische Wellenlänge: 445 nm (Diodenlaser)

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