Beim ADC-Festival in Hamburg, dem Treffen der Kreativbranche, hat die Kampagne „Begegnungen“ der Aktion Mensch ordentlich abgeräumt. Stefan Wübbe, Geschäftsführer Kreation der verantwortlichen Agentur Kolle Rebbe, erklärt den Erfolg.
Der Spot: 40 Männer und Frauen treffen zum Casting ein. Menschen mit und ohne Behinderung. Sie wollen in einem Fernsehspot der „Aktion Mensch“ auftreten. Ihre erste Begegnung soll vor laufender Kamera stattfinden, denn die Aktion Mensch möchte zeigen, wie Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung verlaufen.
Health Relations: Was ist das Besondere an der Kampagne „Begegnungen“?
Stefan Wübbe: Aus kreativer Sicht zuerst einmal, dass ein so sperriges Thema wie Berührungsängste komplett neu und emotional aufgeladen wurde. Der Film, der den Kern der Kampagne bildet, schafft den Balanceakt zwischen Unterhaltung und Aufklärung. Überraschend, berührend und verbunden mit einem persönlichen Erkenntnisgewinn. Ohne erhobenen Zeigefinger, langatmige Erklärungen und Mitleid-Hascherei. Aus konzeptioneller Sicht ist die Sache in sofern besonders, als dass das Casting Keimzelle für zwei parallel laufende, sich gegenseitig ergänzende Kampagnen der Aktion Mensch war. Eine Aufklärungskampagne, die Berührungsängste thematisierte. Und eine Lotterie-Kampagne, die mit Hilfe der Casting-Teilnehmer ein neues Los-Produkt bewarb. Für beide konnte über ein ganzes Jahr kontinuierlich Content generiert werden. Viele würden das heute unter dem Buzzword „Content Marketing“ verkaufen.
Health Relations: Die Kampagne hat u.a. einen silbernen Nagel in der Kategorie „PR“ gewonnen. Warum erzielte sie so einen großen PR-Effekt?
Wübbe: Es ist wohl die Art und Weise, wie das Thema verpackt wurde. Klar, Inklusion ist ein gesellschaftlich wichtiges Thema. Da kann man als Redakteur schon mal drüber schreiben. Das Problem ist nur: es interessiert kaum einen. Denn den meisten Menschen fehlt der persönliche Bezug. Bei Berührungsängsten, im Umgang mit Menschen mit Behinderung, sieht die Sache schon anders aus. Hier geht es um Vorbehalte, Unwissenheit und Unsicherheit, die in uns rühren. Da kann jeder mitfühlen. Das ist für uns relevant. Und am Ende des Tages geht es im Kern von Kommunikation immer um Relevanz.
Health Relations: Einen Bronze-Nagel gab es für das Dialogmarketing. Wie sah die Strategie hier aus?
Wübbe: Der Dialog-Aspekt der Kampagne kam vor allem online zum Tragen. Der öffentliche
Diskurs, der durch den Film angestoßen wurden, übertrug sich ja schnell in die sozialen Netzwerke. Darum war es wichtig, ihn durch immer wieder neuen Content rund um die Castingteilnehmer zu befeuern. Über die Social Media Kanäle der Aktion Mensch und vor allem, die Kampagnen-Website, wo User die Möglichkeit hatten, sich zu vernetzen und eigene Erfahrungen auszutauschen.
Health Relations: Was kann man von dieser Kampagne über Branded Content und Storytelling lernen?
Wübbe: Eigentlich nichts Neues. Denn sie bestätigt lediglich eine grundlegende Erkenntnis: Dass man mit einem relevanten Thema und einer überraschenden und emotionalen Umsetzung schon mal vieles richtig macht. Für den Konsumenten. Und damit letztendlich auch für die Marke.
Health Relations: Gibt es – ganz allgemein – Learnings aus der Kampagne, die für Pharmakommunikation oder Employer Branding interessant sind?
Wübbe: Jedes gute Produkt und jede gute Marke hat das Potenzial, eine gute Story zu erzählen. Sie zu finden ist schwer. Sie unterhaltsam, zielgerichtet und attraktiv zu verpacken auch. Das ist die eigentliche Aufgabe von Kommunikation. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger.