Uniklinik Münster: Die Da Vinci Robotik in der Praxis

2135

Mit Prof. Dr. Andreas Pascher und Dr. Jens Peter Hölzen arbeiten zwei ausgewiesene Experten mit der Da Vinci Robotik an der Uniklinik Münster. Die neue Technologie hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Ein Insight in die Arbeitspraxis.

Health Relations: Das Da-Vinci-System ist eine Investition in den Patienten: Es bringt einen geringeren Blutverlust, eine schnellere Wundheilung, eine kürzere Katheterverweildauer und andere Vorteile mit sich. Aber das System amortisiert sich aufgrund geringer Erstattungen über den Entgeldkatalog nicht. Warum haben Sie sich dennoch für die Anschaffung entschieden?

Prof. Dr. Pascher: In erster Hinsicht steht bei uns die Patientenorientierung im Vordergrund. Unsere Patienten profitieren von Roboter-assistierter Chirurgie auf vielfache Weise. Die Operationen sind einerseits weniger belastend, unsere Patienten erholen sich schneller, die Klinikaufenthalte sind kürzer. Auf der anderen Seite können wir Patienten, die in klassischer laparoskopischer Weise nicht hätten versorgt werden können, mit der Roboter-assistierten Chirurgie minimalinvasiv auf höchstem Niveau operieren. Errungenschaften wie eine vielfache Vergrößerung, im Körper abgewinkbare Geräte oder die Möglichkeiten der Einblendung von Schnittbilddateien erweitern das minimalinvasive Spektrum und erleichtern zum Beispiel große resezierende Operationen an der rechten Leber.

Dr. med. Jens Peter Hölzen (links) und Prof. Dr. med. Andreas Pascher

Dr. Hölzen: Zudem ist das Da Vinci-System auch für uns als Operateure förderlich. Wir haben einen 3D-Blick, absolut ruhige Bilderverhältnisse und einen deutlich geringeren Kraftaufwand. Wir können ohne Nacken- und Rückenschmerzen Operationen für eine lange Zeit hochkonzentriert durchführen. Die Hauptvorteile begründen sich in der enormen Präzision, und Beweglichkeit auf kleinstem Raum. Während die menschliche Hand fünf Freiheitsgrade besitzt, verfügt der Roboter über sieben Freiheitsgrade.

Gibt es weitere Robotik, die Sie vor kurzem an Ihrer Fachklinik eingeführt haben?

Dr. Hölzen: Im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie sind wir zunächst mit der Roboter-assistierten Chirurgie durch das Da Vinci System zufrieden und benötigen aktuell auch keine weiteren roboterbetriebenen Assistenzsysteme vor Ort.

Prof. Dr. Pascher: Es wird natürlich über weitere Möglichkeiten der roboterassistierter Chirurgie geforscht, zum Beispiel über autonome Operationssysteme. Diese sind aber noch keine klinische Realität. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man  sich autonome Systeme in der Allgemein-und Viszeralchirurgie noch nicht vorstellen – ähnlich wie autonomes Fahren noch nicht im Straßenverkehr möglich ist, weil sich das System noch nicht bewährt hat und auch viele Fragen insbesondere auch ethischer Natur nicht geklärt sind. Es handelt sich bei der Da Vinci Robotik um ein Master-Slave-Assistenzsystem, das sich de Facto als Verlängerung unseres eigenen Operationsarms darstellt. Mittelfristig sehen wir noch nicht den Einsatz vollautonomer Systeme in der Viszeralchirurgie. Dass es hier natürlich Fortentwicklungen geben wird, wie zum Beispiel haptische Rückmeldungen etc., ist aber absehbar.

Sie fassen Ihre Rolle als Arzt seit Da Vinci also nicht anders auf?

Prof.  Pascher: Auf keinen Fall. Es wird zu keinem Zeitpunkt die Entscheidung aus der Hand gegeben. Es gibt diesen schönen Begriff des Telemanipulators, das heißt, dass man über Bildsysteme und assistierten Systeme seine Armreichweite verlängert und bestimmte Unzulänglichkeit des menschlichen Körpers, wie das beschränkte Sehvermögen oder Müdigkeit oder das Zittern von Muskeln, ausgleicht. Hierfür eignet sich die Da Vinci Robotik ausgezeichnet.

„Junge Kollegen fordern den Einsatz von roboterassistierten Systemen ein.“

Wie wird das Da Vinci System von dem Nachwuchs angenommen? Sind Bewerber, die Robotik ablehnen, für Sie weniger interessant?

An einer Stelle im OP steht der Tisch mit den Roboterarmen…

Dr. Hölzer: Nein, jeder Mitarbeiter hat natürlich seine persönlichen Neigungen, die wir fördern können. Unsere Alltagserfahrungen sind aber andere. Vielmehr fordern junge Kollegen den Einsatz von roboterassistierten Systemen ein. Nach meiner persönlichen Erfahrung suchen sich junge Bewerber insbesondere die Häuser aus, die über entsprechende Systeme verfügen.

Wie hat sich die Arbeit auf Station seit der Einführung von der Da Vinci Technologie verändert. Welche Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft?

Dr. Hölzen: Durch die roboterassistierte Chirurgie wachsen Teams stärker zusammen. In der konventionellen Chirurgie hat nur der Operateur und in einem geringeren Maße der Assistent Einblick in den Operationssitus. Bei der minimalinvasiven Chirurgie können alle Beteiligten die Operation verfolgen und gegebenenfalls Einfluss nehmen. So kann die instrumentierende Pflegekraft zum Beispiel Instrumente für den nächsten Operationsabschnitt vorbereiten, weil sie den Fortschritt der Operation am Bildschirm verfolgen kann. Ebenso stehen alle an der Operation beteiligten im aufmerksamen Dialog: „Da vorne blutet es noch ein bisschen.“ Man tritt durch Da Vinci stärker als Team auf, das ist ein großer Vorteil.

Was die Zukunft betrifft, wird sich meiner Ansicht nach gar nicht mehr viel verändern, denn die roboterassistierte Chirurgie ist nur eine Form der minimalinvasiven Therapie und bereits seit Jahren praktizierte Realität. Weltweit wurden mittlerweile circa 5 Millionen Operationen mit Da Vinci durchgeführt, allein im letzten Jahr waren es rund 870.000 Eingriffe.

…An anderer Stelle stehen die Konsolen.

Operative Robotik ist auch eine Maßnahme, um als Klinikum auf sich aufmerksam zu machen. Wie erfahren Ärzte und Patienten von ihrer Ausstattung? Über Veranstaltungen, wie „Die lange Nacht der Universitätsmedizin Münster“? Gibt es weitere Maßnahmen der Verbreitung?

Prof. Pascher: Wir informieren zum einen über unsere Homepage. Wir begreifen unsere Homepage aber auch als Informationsseite für Kollegen und nicht nur als kleines Lehrbuch für Nicht-Mediziner. Außerdem informieren wir über Flyer, Gespräche mit Patienten und Patientenveranstaltungen, wie „Die Lange Nacht der Universitätsmedizin“, wo Patienten nicht nur in den Dialog treten, sondern die Robotik auch selbst ausprobieren können.

Den künstlerischen Dokumentarfilm „Da Vinci“ über eine Operation mit dem Da Vinci System hat der italienische Filmemacher Yuri Ancarani im Jahr 2012 realisiert.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wenn sich die roboterassistierte Chirurgie durchsetzt, was würde das für die Krankenhaus-Infrastruktur in Deutschland bedeuten? Dass immer mehr kleine Häuser schließen müssen, weil sie nicht über die erforderlichen Mittel für eine Investition verfügen?

Wir werden uns der Realität stellen müssen, das bestimmte hochkomplexe Eingriffe verstärkt in Zentren durchgeführt werden.

Prof. Pascher: Wir werden uns der Realität stellen müssen, das bestimmte hochkomplexe Eingriffe verstärkt in Zentren durchgeführt werden. Dazu gibt es mittlerweile sehr gute Versorgungsdaten. Insbesondere große universitäre Einrichtungen müssen die Operationstechnik selbstverständlich auch weiter fortentwickeln. Das Spektrum der Kliniken und der Aufgabenbereiche wird sich also ändern. Wir werden Kliniken haben, die für ambulante und niedrigkomplexe Chirurgie verantwortlich sind und wir werden Kliniken der Supramaximalversorgung haben, die sich mit komplexen Krankheitsbildern und deren Behandlung z.B. durch Assistenzsysteme beschäftigen. Kleine Häuser werden deshalb aber nicht unwichtig, das Behandlungsspektrum wird sich lediglich weiter ausdifferenzieren.

Prof. Dr. med. Andreas Pascher ist seit dem 1. April 2018 Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantionschirurgie des Universitätsklinikums Münster. Zuvor war er stellvertretender Direktor der chirurgischen Klinik der Charité Berlin, die onkologische und rekonstruktive Viszeralchirurgie unter Einsatz computergestützter Operationssysteme gehört zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

Dr. med. Jens Peter Hölzen ist geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Münster. Als Bereichsleiter der Roboter-assistierten Chirurgie ist er an der Uniklinik Münster ein zentraler Ansprechpartner, wenn es um die Arbeit mit dem Da Vinci Roboter geht. 

Alle Bilder: ©Universitätsmedizin Münster

1 Kommentar
  1. Ich bin mit einem Roboter operiert worden im Vivantes Klinikum Berlin Friedrichshain Speiseröhre Mageneingang nach 24 Stunden und kaum zu ertragenen Schmerzen stellte sich heraus, dass der Roboter ein Loch in die Magenwand geschnitten hatte. Trotz aufopferischen Einsatz der Ärzte entstand für mich ein grosser Schaden zusätzliche Schmerzen viel längerer Klinikaufenthalt und so weiter. Wer kommt für den Schaden auf?
    Februar 2019

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein