DiGA-Marketing: Spezialisierter Außendienst spielt wichtige Rolle

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Malte Bucksch, Geschäftsführer von QuickBird Medical.
Malte Bucksch, QuickBird Medical: "Die effektivste Methode ist es, eine DiGA so zu vertreiben, wie es auch bei Medikamenten getan wird: mit einem spezialisierten Außendienst." © QuickBird Medical
Damit DiGA in den Markt kommen, sind Pharmaunternehmen wichtige Weichensteller. Welches Marketing funktioniert, um die Anwendungen bei Ärzt:innen bekannt zu machen und welche Rolle spielt der Außendienst dabei? Ein Gespräch mit Malte Bucksch, Gründer und Geschäftsführer von QuickBird Medical.

Erfahren Sie in dem folgenden Interview:

Digitale Gesundheitsanwendungen sind eine gute Sache, darüber sind sich Expert:innen einig, doch die Apps auch in die breite Anwendung zu bringen, ist gar nicht so einfach. Woran liegt es, dass sie bei Ärzt:innen noch nicht ausreichend bekannt sind und wie kann man das ändern? Malte Bucksch hat ein paar Ideen dazu. Sein Unternehmen Quickbird medical hilft DiGA-Herstellern, ihre Apps in den Markt zu bringen. Außerdem hat die Firma ein Whitepaper mit Tipps für das erfolgreiche DiGA-Marketing zusammengestellt.

Health Relations: Wie erreicht man Ärzt:innen am besten, um ihnen das Thema DiGA näherzubringen?

Malte Bucksch: Für die meisten DiGA-Indikationen ist die effektivste Methode der Direktvertrieb mit einem Außendienst. Der Großteil der Ärzt:innen wissen entweder noch nichts von DiGA oder haben davon gehört, aber verschreiben DiGA aktuell – noch – nicht aktiv an Patient:innen.

Health Relations: Woran liegt das?

Malte Bucksch: Viele Ärzt:innen sind erstmal skeptisch gegenüber Neuerungen und verlassen sich lieber auf Ansätze, die sie aus vielen Jahren in der Praxis kennen. Klassische Online- oder Offline-Werbung hilft zwar dabei, die Wahrnehmung des DiGA-Konzepts zu steigern, überzeugt aber in der Regel kaum einen Arzt oder eine Ärztin, DiGA auch zu verschreiben. Die effektivste Methode ist es, eine DiGA so zu vertreiben, wie es auch bei Medikamenten getan wird: mit einem spezialisierten Außendienst, der am Ende persönlich mit dem Arzt oder der Ärztin in Kontakt tritt. Natürlich muss man diese These immer noch im Kontext der konkreten DiGA-Indikation hinterfragen.

Health Relations: Sie sprachen gerade den Außendienst an. Welche Aufgabe fällt ihm dabei zu, die DiGA bei den Ärzt:innen bekannt zu machen?

Malte Bucksch: Der Außendienst des DiGA-Herstellers oder z.B. eines Pharma-Kooperationsunternehmens kann auf die individuellen Fragen und Ängste der Ärzt:innen eingehen und so sicherstellen, dass Ärzt:innen sich sicher dabei fühlen, ein derart neuartiges Produkt zu verschreiben. Den Ärzt:innen sollte z.B. nahegebracht werden, dass DiGA kein Spielzeug sind, sondern durch randomisierte kontrollierte Studien die Evidenz wie ein Medikament nachweisen müssen.

Health Relations: Was können Fortbildungen bringen?

Malte Bucksch: An dieser Stelle macht es Sinn, den Ärzt:innen Fortbildungen im DiGA-Bereich mit an die Hand zu geben, die mit CME-Punkten belohnt werden. Der Außendienst kann diese Aufklärung aus Zeit- und Kostengründen nicht immer komplett selbst übernehmen.

„das DiGA-Konzept ist noch jung. Es benötigt viel Zeit und anhaltende Investitionen, um die Bekanntheit eines neuen Konzepts im Gesundheitswesen flächendeckend zu steigern.“

Health Relations: Die Verschreibungszahlen sind noch ausbaufähig. Woran liegt das? 

Malte Bucksch: Das hat sicherlich mehrere Gründe: Zum einen ist das DiGA-Konzept einfach noch jung. Es benötigt viel Zeit und anhaltende Investitionen, um die Bekanntheit eines neuen Konzepts im Gesundheitswesen flächendeckend zu steigern. Ärzt:innen müssen das DiGA-Konzept überhaupt erstmal kennenlernen, was schon mal die erste Hürde ist. Dass sie DiGA kennen, heißt aber noch lange nicht, dass sie auch DiGA verschreiben. Dies führt mich zu meinem zweiten Punkt: Viele Ärzt:innen sind rein wirtschaftlich incentiviert. Eine DiGA zu verschreiben, bringt Ärzt:innen einige wenige Euro pro Verschreibung ein. Der Aufwand für die Aufklärung von Patient:innen über DiGA und die Beantwortung der Fragen von Patient:innen steht dabei aber in keinem Verhältnis zu dieser niedrigen Vergütung. Gerade ältere Zielgruppen wenden sich bei technischen Problemen mit der DiGA dann an den Arzt oder die Ärztin, statt an den Hersteller, und erzeugen so nochmal zusätzlichen Zeitaufwand. Demnach benötigt der Arzt bei vielen Indikationsgebieten ein gewisses idealistisches Interesse, um DiGA zu verschreiben. Der finanzielle Anreiz ist einfach nicht ausreichend gegeben.

Health Relations: Ein Grundproblem ist, dass DiGA bei den Mediziner:innen noch unzureichend bekannt sind. Wie sieht das Ihrer Meinung nach in Zukunft aus?

Malte Bucksch:  Über die nächsten Jahre wird sich der Bekanntheitsgrad von DiGA sicherlich weiter steigern. Einige DiGA-Hersteller haben anfänglich erstmal versucht über klassische Werbemaßnahmen die Patient:innen und somit indirekt Ärzt:innen oder die Krankenkasse zu erreichen. Das hat sich in vielen Indikationsgebieten als ineffektiv herausgestellt. Erschwerend hinzu kommt, dass ein großer Teil der Zielgruppe der Ärztinnen und Ärzte risikoavers arbeitet und Innovationen im Digitalbereich erstmal auf starke Skepsis stoßen. Umso wichtiger ist die direkte Ansprache durch einen Außendienst, um die Bekanntheit des DiGA-Konzepts effektiv zu steigern.

Health Relations: Müsste man nicht auch früher ansetzen, um die Vorteile der DiGA bekannt zu machen? Etwa in der Ausbildung?

Malte Bucksch: Als junges Konzept spielt die DiGA im Medizinstudium und der Ausbildung von Ärzt:innen eine untergeordnete oder auch gar keine Rolle. Der Fokus liegt auf herkömmlichen, nicht-digitalen Behandlungsmaßnahmen. Ab einem gewissen Zeitpunkt werden aber die meisten Ärzt:innen DiGA kennen. Die Herausforderung wird sich dann mehr darum drehen, dass DiGA auch verschrieben werden und vor allem, dass die eigene DiGA statt einer Konkurrenz-DiGA verschrieben wird.

„Der Vertrieb über einen Kooperationspartner, etwa über ein Pharmaunternehmen, kann sehr effektiv sein. Einen eigenen Außendienst aufzubauen und damit Kontakte zu Ärzt:innen zu knüpfen und zu pflegen, ist enorm zeit- und kostenintensiv.“

Health Relations: Wie gut funktioniert eigentlich der Vertrieb über Kooperationspartner?

Malte Bucksch: Der Vertrieb über einen Kooperationspartner, etwa über ein Pharmaunternehmen, kann sehr effektiv sein. Einen eigenen Außendienst aufzubauen und damit Kontakte zu Ärzt:innen zu knüpfen und zu pflegen, ist enorm zeit- und kostenintensiv. Ein Kooperationspartner mit einem etablierten Außendienst kann daher den entscheidenden Unterschied machen, um als DiGA-Hersteller erfolgreich zu werden. Pharmaunternehmen können Synergie-Effekte nutzen und die DiGA neben den eigenen Produkten bei den Ärzt:innen platzieren. Sicherlich wird das Kooperationsunternehmen hierbei abwägen müssen, wie viel der Gesprächszeit des Außendienstes mit den Ärzt:innen sich in Zukunft um die neue DiGA drehen soll. Eine nachteilige Kannibalisierung des Vertriebs eigener Arzneimittel möchte ein Pharmaunternehmen natürlich vermeiden.

Tipps fürs DiGA-Marketing

  1. Etablieren Sie über einen Kooperationspartner oder selbst im eigenen Unternehmen einen Außendienst, der die Ansprache von Ärzt:innen strukturiert angeht. Hierum drehen sich auch der Großteil der folgenden Tipps.
  2. Gehen Sie zuerst auf Ärzt:innen zu, die bereits digital affin und interessiert an neuen Innovationen sind. Das sind die „Early Adopters“ und „Low Hanging Fruit“, die zu effizientem DiGA-Vertrieb führen.
  3. Bieten Sie DiGA-Fortbildungen für Ärzt:innen an, die mit CME-Punkten belohnt werden. So sind Ärzt:innen ausreichend incentiviert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
  4. Geben Sie Ärzt:innen Informationsmaterial mit an die Hand, um Ängste zu mindern und Komplikationen zu vermeiden. Versetzen Sie sich in Ihre Zielgruppe und adressieren Sie die Probleme, die es Ärzt:innen erschweren Ihr DiGA-Produkt zu verschreiben.
    Informieren Sie Ärzt:innen zum Beispiel, dass sich Patient:innen bei DiGA-bezogenen Komplikationen direkt beim DiGA-Hersteller über die Service-Hotline melden sollen. Die meisten Patienten sind es gewohnt, bei Problemen jeder Art die Ärzt:in zu kontaktieren. Wenn das Handy des Patienten dann mal spinnt, erhält die Ärzt:in zusätzliche Fragen zu diesem Thema. Helfen Sie Ärzt:innen diesen Kontaktanfragen umzuleiten. Ärzt:innen müssen sich somit nicht mehr darum sorgen, noch mehr Zeit in DiGA im Rahmen des ohnehin stressigen Alltags zu investieren.
  5. Optimierung der Verordnertiefe statt Verordnerbreite: Statt sich auf eine breite Ansprache von Ärzten zu konzentrieren, stellt z.B. der Pharma- und DiGA-Vertriebsexperte Marcus Bergler fest, dass die Vertiefung der Beziehungen zu bestehenden Verordnern langfristig erfolgsversprechender und kosteneffizienter zu sein scheint. Es lohnt sich, eine langfristige Geschäftsbeziehung mit Ärzt:innen aufzubauen, welche die eigene DiGA bereits verschreiben.
  6. Ein zentraler Aspekt im DiGA-Marketing ist die Tatsache, dass die digitale Gesundheitsanwendung den Patient:innen auch merklich hilft. Der medizinische Nutzen muss für Patient:innen ersichtlich sein. Nur dann werden Ärzt:innen durch Patient:innen positive Rückmeldungen erhalten. Ob Ärzt:innen weiterhin die Apps verschreiben, hängt am Ende auch maßgeblich davon ab, ob sie den eigenen Patient:innen geholfen hat.
  7. Lernen Sie als Start-up von den Erfahrungen von Experten im Pharma-Direktvertrieb, anstatt das Rad komplett neu zu erfinden. Der Vertrieb von DiGA an Ärzt:innen folgt ähnlichen Regeln wie der Vertrieb von Medikamenten.
  8. Wählen Sie eine Indikation und Zielgruppe für Ihre DiGA, die potenziell bereits digital-affin ist. Für diese Zielgruppe müssen Sie und verordnende Ärzt:innen weniger Überzeugungsarbeit leisten, um die Patient:in zur Nutzung der DiGA zu bewegen.

 

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