„Es muss nicht immer die monatelang im Voraus geplante Kampagne sein“

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Das Motiv sollte in der aktuellen Situation und auch nach der Krise funktionieren. © Klinikverbund Südwest
Die Coronakrise hat sich als Katalysator erwiesen, der Krankenhäuser auch in der Kommunikation zum kurzfristigen Umdenken zwingt. Wie man sich schnell neuen Umständen anpasst, zeigt der Klinikverbund Südwest. Statt sich auf seiner bestehenden Pflege-Benefit-Kampagne auszuruhen, hat er seine Rekrutierung innerhalb kürzester Zeit umgestellt.

Der Klinikverbund mit sechs Standorten und rund 5.000 Mitarbeitern wurde ebenso wie alle anderen Krankenhäuser in Deutschland zu schnellem Handeln gezwungen – und reagierte umgehend: In kürzester Zeit passten die Verantwortlichen des Verbundes ihre Kampagnen und ihr Recruiting an. Mit Erfolg.

Kampagne für Pflegekräfte: „Wir mussten komplett umdenken“

Martin Camphausen © Klinikverbund Südwest

Anfang Februar 2020 hatte der Klinikverbund Südwest mit einer multimedialen Recruiting-Kampagne für Pflegekräfte begonnen. Das war wenige Wochen vor dem Beginn der Pandemie, aber da war die Welt noch eine andere. Die Kampagne setzte inhaltliche Schwerpunkte auf die Vermittlung von Glaubwürdigkeit durch fünf mit der Pflege erarbeitete Benefits. „Unser Motto hieß: Mit Benefits überzeugen“, sagt Martin Camphausen, Leiter Marketing und Employer Branding des Klinikverbundes Südwest. Die Zielgruppen wurden über eine aufeinander abgestimmte Online-Offline-Kombination angesprochen. Doch dann kam Corona. „Es war schnell klar, dass wir komplett umdenken mussten“, so Martin Camphausen.

Die fünf Benefits für die Pflege im Klinikverbund Südwest: Akademisierung, kurze Arbeitswege, Teamgeist, Förderung als Fach- und Führungskraft und flexible Arbeitszeitmodelle.

Solidaritätsaufruf der Klinikmitarbeiter

Der Klinikverbund Südwest hat schnell auf Corona reagiert und sein Recruiting erfolgreich umgestellt.
Medizinische Geschäftsführer Dr. med. Jörg Noetzel bei Klinikverbund Südwest © Klinikverbund Südwest

Wie viele andere Krankenhäuser auch arbeitete der Klinikverbund Südwest in der Phase der Umstellung auf die Pandemie unter Hochdruck und stellte sich auf den drohenden Peak von Coronapatienten ein. Der Solidaritätsaufruf der Klinikmitarbeiter „Wir bleiben für euch da. Bitte bleibt für uns daheim“ fand währenddessen breiten Anklang in der Bevölkerung. „Die große Resonanz auf unseren Solidaritätsaufruf hat gezeigt, wie wichtig unsere kommunikative Rolle in der Pandemie ist“, resümiert der medizinische Geschäftsführer Dr. med. Jörg Noetzel.

Klar war, dass das vorhandene Personal in den Kliniken bei steigernden Coronafällen nicht ausreichen würde. „Wir mussten neben der normalen Personalsuche plötzlich eine große Zahl an potenziellen Helfern rekrutieren. Aus dem Kampagnenansatz ‚mit Benefits überzeugen‘ wurde ein ‚von Überzeugung benefitten'“, erklärt Martin Camphausen. Auf den Webseiten des Klinikverbunds wurde ein Hilfeaufruf publiziert, der Menschen verschiedenster Qualifikationen die Möglichkeit bietet, sich unkompliziert über ein Kontaktformular zu melden. Darüber hinaus gab es Meldungen in den lokalen Zeitungen und in Sozialen Medien.

Neue Kampagne überzeugte ehemalige Pflegekräfte

Nach internen Beratungen erfolgte der zusätzliche Beschluss, die Pflegekampagne vorerst nicht mehr zu forcieren, sondern kurzfristig eine Kampagne mit breiterem Fokus vorzubereiten, die sowohl in der aktuellen Situation als auch nach der Krise funktioniert. Und zwar dann, wenn die Krankenhäuser langsam wieder in den Normalbetrieb zurückkehren. In kürzester Zeit wurde ein Plakatmotiv erstellt, das neben Freiwilligen auch Patienten sowie vorhandene und neue Kollegen ansprechen sollte. Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen und des Abflachens der Infektionskurve musste das neue Motiv jedoch nicht zum Einsatz kommen.

„Die Zahl an potenziellen freiwilligen Helfer war überwältigend. Insgesamt bewarben sich mehr als 620 Personen“, so Dr. Jörg Noetzel. Über 500 Bewerbungen für den klinischen Bereich sowie etwa 120 für den Servicebereich erhielt der Verbund. Die Hauptmotivation der Bewerber war die starke Bereitschaft, sich für die Gesellschaft einzusetzen. Welche Gruppen konnten aus dem klinischen Bereich angesprochen werden? Martin Camphausen: „Es meldeten sich Ärzte aus dem Ruhestand, Medizinstudenten und auch ehemalige Pflegekräfte, die sich entweder derzeit um ihre Familien kümmern oder inzwischen in anderen beruflichen Bereichen arbeiten.“

„Krankenhäuser müssen mit ihrem Recruiting flexibler werden. Vielleicht muss es nicht immer die monatelang im Voraus geplante Kampagne sein – man kann auch mit kurzfristigen Aktionen viel erreichen“

Damit war der Klinikverbund für den potenziellen Ansturm von Coronapatienten gut gerüstet. Der befürchtete Peak bleib jedoch glücklicherweise aus. Für Martin Camphausen stellen sich nun neue Fragen: „Wie halten wir dauerhaft Kontakt zu den Helfern, falls der Peak doch noch kommt? Und wie schaffen wir es, aus dem Pool der Freiwilligen so viele Pflegecomebacks wie möglich zu generieren?“ Der mit der Bewerbungsmenge verbundene Arbeitsaufwand war für die Klinikverwaltung ein Kraftakt, zumal die Abteilungen selbst von „Corona-Homeoffice“ betroffen waren.

Remote Recruiting und digitales Onboarding

Nachdem man die Mitarbeitergewinnung weitestgehend auf Remote Recruiting umgestellt hatte, sei man derzeit in abteilungsübergreifendem Austausch und erarbeite Konzepte für digitale Onboardingbausteine, berichtet Martin Camphausen. „Unseren nächsten Einführungstag werden wir erstmals komplett online abbilden und dadurch einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung machen. Jobinterviews per Skype und Co. helfen wenig, wenn wir danach nicht in die digitale Verlängerung gehen.“

Für den Marketingleiter hat die Krise eines gezeigt: „Krankenhäuser müssen mit ihrem Recruiting flexibler werden. Vielleicht muss es nicht immer die monatelang im Voraus geplante Kampagne sein – man kann auch mit kurzfristigen Aktionen viel erreichen.“ Langfristig hofft er, dass Kliniken aus dieser besonderen Zeit mit neuen Ideen hervorgehen und die Chancen nutzen, die in der Krise stecken.

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