Mehr Dialog, mehr Beziehung: Marketing Automation in Pharma

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Marketing Automation
© Andrii Dodonov, Getty Images/Canva
Marketing Automation soll die zwischenmenschliche Kommunikation im B2B-Bereich nicht ersetzen, aber sie kann helfen, den Kunden auf seiner Customer Journey zu begleiten. Dennoch bedeutet der Einsatz einer Marketing-Automation-Software, dass an Prozesse anders herangegangen werden muss. Dr. Tobbias Schloemer von Thought Leader Systems erklärt, wie’s funktioniert.
Dr. Tobbias Schloemer, Geschäftsführer Thought Leader Systems GmbH, über Automatisierung. (c) Thought Leader Systems
Dr. Tobbias Schloemer, Geschäftsführer „Thought Leader Systems Management GmbH. (c) Thought Leader Systems Management GmbH

Nicht jedes Unternehmen möchte eine Kundenbeziehung haben. „Vielen B2C-Unternehmen reicht der statistische Marktanteil. Mit der Kenntnis eines Kundenprofils ist nicht mehr Umsatz verbunden“, sagt Dr. Tobbias Schloemer, Co.-Geschäftsführer bei Thought Leader Systems. Statt Geld in die Customer Acquisition zu stecken, investiert man das Geld lieber in einen 10-Prozent-Rabattgutschein. Das funktioniert auch gut, solange die Markenloyalität stimmt. Aber wenn ein Unternehmen den Dialog mit der Zielgruppe sucht und auf Kundenmanagement und Customer Intelligence setzt, dann ist eine Marketing Automation sinnvoll – zusammen mit einer Customer Data Plattform (CDP). „Und zwar nicht als Datensammelbecken, sondern als Steuerungsinstrument für das Multichannel-Kundenbeziehungsmanagement“, so Schloemer.

Marketing Automation
Marketing Automation beschreibt den Prozess der Automatisierung von Marketingaktivitäten – vom ersten Kontakt bis zu Kundendienst – mithilfe einer Software. Unternehmen können so die effektivsten Prozesse mit dem Interessenten in der jeweiligen Phase des Sales Funnels wählen. Auf dem Markt gibt es verschiedene Marketing-Automation-Tools, die Unternehmen helfen, den Marketingprozess zu optimieren. So können mehr Leads generiert und die Conversation Rate erhöht werden.

Im Healthcare-Bereich sieht Schloemer die Situation wie folgt: Viele Unternehmen sind noch im klassischen Kundenbeziehungsmanagement bzw. Opinion Leader Management verhaftet und stehen nicht in einem direkten Dialog mit dem eigentlichen Kunden. Im Healthcare-Bereich geht es einerseits um sensible und existenzielle Themen und andererseits müssen Compliance und Legal Aspects natürlich beachtet werden. „Wir brauchen Kundendialogzentren und keine Mircosites, die im Hit-und-Run-Verfahren einmal einen Touchpoint zum Kunden haben wollen“, so der Marketingexperte. Auf diesen Plattformen soll dann die Kommunikation mit allen Kunden und Kundinnen gefördert werden – mit einem Dialog, der mittels Marketing Automation den einzelnen dort abholt, wo er gerade steht. Ob als Verbraucher, Arzt oder Kunde.

Marketing Automation ist kein Selbstläufer

Marketing Automation ist häufig mit dem Ziel der Lead-Generierung verbunden, an der Marketing und Sales beteiligt sind. Vereinfacht dargestellt: Die Marketingabteilung stellt den Kontakt her und baut die Beziehung auf. Bei „Salesreife“ werden die Kunden dann an CRM und den Vertrieb übergeben. „Marketing hat im B2B-Bereich die historisch einmalige Chance, gerade für Healthcare-Unternehmen, wirklich mit allen zu reden und einen Dialog aufzubauen, die hinterher an einer Kaufentscheidung potenziell beteiligt sein können. Das ist das Neue im Healthcare-Bereich.“  Solche Prozesse benötigen in der Regel Zeit. Konkret: Wer Radiologie-Informationssysteme an Krankenhäuser oder Praxen verkaufen möchte, sollte alle Beteiligten von der Chefärztin bis zum Haustechniker durch die gesamte Customer Journey führen. „Marketing Automation und CRM-Systeme sollten miteinander verwoben und die Prozesse sollten aufeinander abgestimmt sein. Über diese Synergie können Marketing und Sales genau die Kunden und Kundinnen erreichen, die das Unternehmen vorher als Zielkunde definiert hat.“

Marketing Automation ist nicht lediglich eine zusätzliche Software, die im Unternehmen eingesetzt werden kann. Vielmehr erfordert es, dass auch die Prozesse anders gedacht werden müssen. Dr. Tobbias Schloemer sieht die Risiken am Festhalten an traditionellen Marketingkonzepte – so werde zwar Marketing Automation ins Haus geholt, aber das Budget fließe weiterhin in die traditionellen Kanäle wie Online-Magazine und Display Ads. Wer den persönlichen Dialog mit seinen Kund:innen steigern wolle, sollte jedoch nicht die unpersönliche E-Mail-Signatur „das Team von XX“ verwenden. „Wir können skalieren, wir können digitalisieren und automatisieren. Aber wir müssten den Menschen in Echtzeit ins Cockpit setzen.“

Welche Software ist die richtige?

Mit den Kund:innen reden – das ist das Zauberwort. Der Marketingexperte empfiehlt, die ersten 100 Mails zunächst persönlich zu schreiben und nur die, die gut angekommen sind, zu automatisieren. Was hat der Topkunde gelikt? Das Marketing solle den Dialog aufbauen und „einfach mal zehn Leute anrufen und sie fragen, wie sie die Mail empfunden haben. Es geht darum, mit dem Kunden zu reden und nicht über ihn.“

Und bevor es um die konkrete Software für die Marketing Automation geht, müssen die Vermarktungsprozesse nochmal durchdacht werden:

  • Machen wir Inbound oder Account based Marketing?
  • Wie hoch muss der Etat für Google Ads sein?
  • Wie stark ist unser Direct Mailing?

Beim Thema Software ist man sehr schnell bei der Frage nach den Features. „Man sollte sich jedoch nicht fragen, welche Software man einführen will, sondern ich rate jedem dazu, erst mal die KPIs zu definieren“, so Dr. Tobbias Schlömer. Denn die größte Software ist nicht immer die beste, sie muss zum Unternehmen passen – und auch die personellen Ressourcen müssen vorhanden sein: Sind Kampagnen- und Leadmanager zwei Fulltime-Jobs oder laufen die Aufgaben nebenher? Wer interpretiert die Daten? Wer macht die Kampagnen? Wie viel kosten Kampagnen und Content? Wie hoch sind die Total Cost of Ownership für die Software? Erst wenn diese Frage beantwortet sind, kann man den eigenen Bedarf einschätzen und die passende Software auswählen.

Fazit

Marketing Automation wird oft als der Kollege gefeiert, der keinen Schreibtisch benötigt, der den Job erledigt, den keiner machen möchte. Dabei muss Marketing Automation genauso wie jede Software bedient werden – und zwar richtig und von jemandem aus dem Team bzw. einer Agentur. Die Software sollte so gewählt sein, dass mit ihr die Marketingziele erreicht werden können. Und nicht andersherum: erstmal die Software kaufen und dann gucken, was man damit eigentlich machen kann. Marketing Automation bietet die Möglichkeit, den persönlichen Dialog mit Kund:innen aufzubauen – jederzeit.


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