Zukunftsmedizin: So arbeitet Pharma morgen

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Porträt Thomas Schulz, Autor von
Thomas Schulz, Journalist und Autor von "Zukunftsmedizin". ©Stephen Lam

Der Journalist Thomas Schulz beschreibt in seinem Buch „Zukunftsmedizin“ die Chancen und Risiken der digitalen Medizin. Das betrifft auch die Arbeitswelten in der pharmazeutischen Industrie. Diese ändern sich bereits rapide.

„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Entwicklungen aus Jahrzehnten zusammenfließen, an dem neue Technologien aus allen möglichen Bereichen verschmelzen: aus Chemie, Physik, Materialwissenschaften, Robotik“, sagt Thomas Schulz. Der Journalist lebt und arbeitet in den USA und verbrachte einige Jahre im Silicon Valley. In seinem Buch „Zukunftsmedizin“ hat er jetzt einen Status-Bericht der dortigen Forschungsszene zusammengefasst. Und der liest sich in Teilen wie ein Science-Fiction-Roman: Die DNA- oder Gen-Analysen werden zum Standardinstrument. Algorithmen übernehmen die Macht und Badewannen werden in Zukunft Hautkrebs diagnostizieren können. Kein Scherz: Der gebürtige Solinger und Informatik-Professor Sebastian Thrun hat dieses Badezimmermöbel entwickelt.

Das alles ist laut Thomas Schulz echte Zukunftsmedizin. Möglich macht’s der massive Einstieg von Informationstechnologiekonzernen wie Google und Microsoft in den Healthcare-Markt. „Wenn wir über die Zukunft der medizinischen Forschung sprechen, dann reden wir sicher mehr über Apple und IBM als über Lilly und Pfizer“, zitiert Thomas Schulz den Neurowissenschaftler und Psychiater Thomas Insel. Der ehemalige Leiter der Forschungsförderanstalt National Institutes of Health (NIH) arbeitete bis 2017 für Verily, einer von den beiden Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin geführten Tochtergesellschaft von Alphabet Inc. Für ihn ist klar: Internet- und Computerkonzerne spielen im Medizinbereich eine tragende Rolle. Sie bringen nicht nur Geld ins System. Sondern Daten, Technik und ein anderes Denken.

Das hat auch Auswirkungen auf das Ökosystem. Was in Schulz‘ Beschreibungen deutlich wird, ist der hohe Grad der Veränderung, der Arbeitswelten in der Pharmaindustrie durch die Verschmelzung von IT- und Medizinbranche unterliegen. Diese Veränderungen sind global. Berufsbilder und -felder wandeln sich. Auch in Deutschland.

Zukunftsmedizin und die German Angst

Ideendiffusion und Konvergenz bestimmen das Miteinander im Silicon Valley. „Der Austausch und Dialog über Innovationen wird institutionalisiert“, berichtete Schulz in seiner Keynote auf dem Hamburger eHealth Day 2018. „Das gemeinsame Pizzaessen mit Kollegen aus anderen Firmen und Branchen gehört ebenso zum Arbeitsalltag wie das regelmäßige Grillfest in Mark Zuckerbergs Garten. Einmal im Jahr lädt der Facebook-Gründer Medienvertreter und Key Oppinion Leader zum lockeren Zusammenkommen ein. „Unabhängig von der Größe des Mediums oder vom persönlichen Status.“ Genau das unterscheidet den deutschen vom amerikanischen Markt: Die German Angst, der Hang zum Misstrauen und die zögerliche Haltung, stehe Innovationen im Weg und verhindere Investitionen. Dadurch wandern Talente ab. Diese Mechanismen haben internationale Konzerne wie MSD oder Janssen längst identifiziert und setzen mit branchenübergreifenden Partnerschaften ein klares Zeichen gegen das Silo-Denken.

Zukunftsmedizin verändert Berufsbilder

Die IT wird zum besten Freund von Pharma, und inzwischen fokussieren viele Healthcare-Veranstaltungen diese branchenübergreifende Vernetzung. So trafen sich beispielsweise in Kiel im September diesen Jahres junge Programmierer mit Konzeptern zum Hackathon, um Ideen für die Medizin der Zukunft zu entwickeln. Der Paradigmenwechsel zieht eine Neudefinition von Berufsbildern nach sich. Der Arzt werde zum Gesundheitscoach und Datenmanager, so Schulz.

Doch neben der Neudefinition werden auch neue Funktionen geschaffen. Das bildet sich bereits jetzt im Studien-System ab. „Neben dem klassischen Informatikstudium gewinnen (…) die sogenannten Bindestrich-Informatiken wie Wirtschafts-Informatik, Geo-Informatik oder Medizin-Informatik weiter an Bedeutung“, berichtet Cort-Denis Hachmeister vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Die Branche wird sich weiter spezifizieren. In Zukunft werden Gesundheitsdaten-Analysten Wearables und Co auswerten und entwickeln, Gamification-Spezialisten werden Tools im Grenzbereich zwischen Medizin und Spiel erarbeiten und AI-Operations-Berater visualisieren bevorstehende Eingriffe durch die Programmierung von virtuellen Welten. Portale wie Medinside und Medical Futurist haben diese Entwicklung durchgespielt und Jobs wie diese kreiiert. Sie alle klingen wenig futuristisch. In Sachen Arbeitswelt sind wir schon mitten drin in der Zukunft.


„Zukunftsmedizin“ von Thomas Schulz ist erschienen bei DVA Sachbuch, München 2018

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