Dr. Frank Schneider, Daiichi Sankyo Deutschland: Außendienst quo vadis?

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Frank Schneider von Daiichi Sankyo München
Frank Schneider, Daiichi Sankyo München © Daiichi Sankyo, München
Außendienst quo vadis? Das fragt sich nicht nur Dr. Frank Schneider, Commercial Director Business Unit Oncology bei Daiichi Sankyo Deutschland. Funktioniert das alte Modell im digitalen Zeitalter noch? Ja. Und nein. Über ein Berufsbild im Wandel und die Kunst, Bewährtes zu transformieren.
Außendienst war gestern – und was kommt jetzt? Dr. Frank Schneider von Daiichi Sankyo Deutschland, sagt: „‚Alte‘ Modelle, die viele Jahre funktioniert haben, müssen an die heutige Zeit angepasst werden.“
Lesen Sie,
  • wo genau die Herausforderungen für den Außendienst seiner Meinung nach liegen,
  • warum der persönliche Kontakt auch in digitalen Zeiten wichtig bleibt – und wann,
  • warum manche HCPs ihre Türen verschlossen haben – und einige wenige für den Außendienst auch verschlossen bleiben werden,
  • warum der Außendienst heute ein:e Projektarbeiter:in sein muss.

Health Relations: Herr Schneider, ist die Bezeichnung „Außendienst“ eigentlich noch zeitgemäß oder sollte man ihm nicht einen neuen Namen geben?

Frank Schneider: Die Namensfindung ist mittlerweile sehr kreativ geworden, auch in unserer Branche. Es gibt inzwischen Bezeichnungen vom Customer Experience Manager bis hin zum Customer Journey Creator. In der Tat ist das Aufgabenfeld der Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vielfältiger geworden.

Health Relations: Nun trägt Ihr Vortrag auf der DigIT Pharma & Health 2023 den Titel: Außendienst quo vadis? Ein altes Modell im digitalen Zeitalter.

Frank Schneider: Der Titel ist, wie auch der Vortrag, ein wenig provokant und soll zur Diskussion über aktuelle Fragen in diesem Themenfeld anregen, z.B.:  Ist der Außendienst noch der klassische Außendienst?  “Alte” Modelle, die viele Jahre funktioniert haben, müssen an die heutige Zeit angepasst werden. Darum wird es gehen. Endgültige Antworten und Lösungen werde ich nicht geben können. Die kennen wir selbst noch nicht. Aber die Diskussion anzuregen, das ist unser Ziel.

DigIT Pharma & Health 2023
Digit-Pharma-Konferenz[NEW]-01Die DigIT Pharma & Health 2023 findet vom 25. bis 27. September 2023 in Berlin statt. Im Fokus stehen die Themen Digitalisierung, Advanced Data und Automatisierung in Healthcare und Pharma.

Topics in 2023

  • Omnichannel Strategie – Verknüpfung aller Kanäle, Sales Force Effectiveness, bei Pharma und MedTech
  • Data Science bei Commercial Data (Marketingautomatisierung, Analytics, BI)
  • Digital Health, DiGAs, Digitalisierung in der Gesundheitsbranche (mit Kliniken, Apotheken, Pharma und Medtech)
  • Digitale Transformation, advanced Data und Automatisierung
  • Kulturwandel, Data Literacy und Mindset
  • HCP-Kommunikation verbessern
  • Nutzung der Gesundheitsdaten in Deutschland und EU-weit

Mehr über die Konferenz von IQPC Germany lesen Sie hier.

Health Relations: Eine Ihrer Hauptaufgaben ist der Aufbau und die Weiterentwicklung eines Marketing- und Vertriebsteams. Worin sehen Sie derzeit die größte Herausforderung für den Außendienst und den Vertrieb von Pharmaunternehmen?

Frank Schneider: Das Umfeld, in dem wir arbeiten, ist ein sehr spezieller Bereich – auch in der Pharmaindustrie: Innovative Produkte bei Onkologen:innen zu besprechen, ist in verschiedenen Dimensionen speziell. Für uns als Anbieter innovativer Produkte gibt es einige Herausforderungen. Ich nenne Ihnen mal einige. Komplexität: Das Umfeld, in dem wir und unsere Kunden uns bewegen, wird immer komplexer.  Ein niedergelassener Onkologe:in, der alle Tumorentitäten behandelt, muss vom hämatologischen Tumor bis hin zu soliden Tumoren, wie z.B. dem Prostatakarzinom, also alle Tumorentitäten beherrschen. Aber die Entwicklung ist so rasant, jeden Tag gibt es neue Studien, neue Produkte, neue Informationen. Wie soll man mit dieser Informationsflut Schritt halten? Hier kommen wir ins Spiel. Wir stellen uns natürlich die Frage: Was können wir tun, um unsere Kund:innen so zu unterstützen, dass sie mit dieser Informationsflut umgehen können? Und was müssen wir tun, damit unsere Mitarbeiter:innen selbst mit dieser Informationsflut und Komplexität umgehen können? Sie sehen, das ist ein sehr anspruchsvolles Arbeitsfeld.

„Das Umfeld, in dem wir und unsere Kunden uns bewegen, wird immer komplexer.“

Health Relations: Weitere Herausforderungen?

Frank Schneider: Der Zugang zu unseren Kundinnen und Kunden. Wenn ich in die Zeit vor Corona zurückblicken darf: Es hat sich schon abgezeichnet, gerade in der Onkologie, aber auch in anderen Bereichen, dass der Zugang zu unseren Kunden und Kundinnen immer schwieriger wird. Warum das so ist? Weil deren Welt immer komplexer wird. Sie haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie alle anderen auch. Zum Beispiel Personalmangel, zu viel Arbeit, zu wenig Zeit. Das führt natürlich dazu, dass sie den Zugang restriktiver handhaben. Dann kam Corona und es musste etwas passieren. Wir haben in Lichtgeschwindigkeit versucht, die digitalen Tools hochzufahren, unsere Mitarbeiter:innen auf digitale Kommunikation geschult und dann haben wir unsere Kund:innen erst mal richtig mit E-Mails, mit digitalen Angeboten, mit Videotelefonaten bombardiert. Das war wirklich viel zu viel. Mittlerweile sind wir wieder in einer relativ normalen Zeit angekommen – und einige unserer Kund:innen haben gemerkt, dass es eigentlich auch ohne den direkten Kontakt zu den Pharmafirmen für sie ganz gut funktioniert. Die haben die Türen gar nicht mehr aufgemacht. Was wir aber auch spüren, ist, dass viele unserer Kund:innen den Mehrwert unserer Arbeit sehen. Dass wir für sie Informationen filtern und komprimiert zusammenstellen. Dass wir das wirklich Wichtige auf den Punkt bringen. Die Praktiker haben einfach nicht mehr die Zeit, sich durch ellenlange Artikel und Studien zu lesen. Das bedeutet natürlich, dass sie uns vertrauen müssen. Sie erwarten von uns, dass die Informationen, die wir ihnen geben, wissenschaftlich korrekt und ausgewogen sind.

„Diese persönlichen Kontakte, die über die Jahre aufgebaut wurden, gehen zum Teil langsam verloren.“

Health Relations: Vertrauen ist eine wichtige Währung. Darauf kommen wir gleich zurück. Sind die Herausforderungen der Zukunft ähnlich wie heute oder kommen noch andere auf die Pharmaindustrie zu?

Frank Schneider: Generell muss man sich darüber im Klaren sein, dass diese persönlichen Kontakte, die über die Jahre aufgebaut wurden, zum Teil langsam verloren gehen.  Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie über viele Jahre aufgebaut haben, scheiden langsam aus dem aktiven Berufsleben aus. Auch bei den Ärzt:innen rückt eine neue Generation nach, für die der persönliche Kontakt nicht mehr so wichtig ist. Aber bei den Onkologen:innen haben wir immer noch ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren. Da ist die persönliche Beziehung nach wie vor relevant. Das haben wir zum Beispiel sehr deutlich gemerkt, als wir vor eineinhalb Jahren ein neues Produkt auf den Markt gebracht haben. In dieser Phase ist der Informationsbedarf sehr hoch, weil es etwas ganz Neues ist. Dann war es schon ein Unterschied, ob wir Mitarbeiter:innen haben, die eng mit den Kund:innen vernetzt sind und diese schnell kontaktieren können. Oder ob ich im Extremfall ein Gebiet habe, in der es keinen physischen Kontakt gibt und man nur über digitale Kanäle kommunizieren kann. Das ist dann eine ganz andere Form der Kommunikation mit mehr Hürden. Ich habe nie an das „Wir machen alles nur noch digital“ geglaubt. Wir sind soziale Wesen und keine Roboter. Menschen brauchen Vertrauen. Wie bekomme ich Vertrauen? Durch Kommunikation und durch persönlichen Kontakt. Ich meine, nur weil wir in den letzten Jahren eine wahnsinnige digitale Entwicklung durchgemacht haben, können wir doch nicht unsere biologische Herkunft, die sich über Jahrtausende entwickelt hat, über Bord werfen.

Health Relations: Der Außendienstler oder die Außendienstlerin ist also ein Omnichannelmanager:in und muss schauen, auf welchem Kanal er oder sie die Beziehung zur Zielperson managen kann. Der Profi kann doch auch digital persönlich sein, oder?

Frank Schneider: Ja, aber damit das funktioniert, braucht es in der Regel vorher den physischen Kontakt. Und sei es nur, um das Einverständnis für die direkte digitale Kommunikation zu bekommen. Ärzt:innen bekommen, wie wir alle, Informationen und Anfragen über alle möglichen Kanäle. Sie interagieren daher sehr selektiv. Und wenn es keinen persönlichen Kontakt gibt oder gab, kann es schwierig werden. Wir haben eine bestimmte Anzahl von Kund:innen, gerade bei den niedergelassenen Onkologen, an die kommen wir gar nicht mehr ran, die haben die Türen komplett zugemacht. Mit denen können wir auch nicht direkt digital kommunizieren.

Health Relations: Zusammengefasst heißt das: Der Arzt, die Ärztin braucht einen guten Überblick über aktuelle Entwicklungen, die für ihn oder sie schnell zugänglich sind. Das ist ein klarer Mehrwert, den man liefern kann, aber das allein reicht unter Umständen nicht aus. Man braucht in irgendeiner Form diese Verbindung, um Vertrauen zu schaffen. Vertrauen ist das stärkste Glied in dieser Dreierkette, oder?

Frank Schneider: Vertrauen ist ganz entscheidend. Sobald der Arzt das Gefühl hat, dass eine Information nur Marketingzwecken dient und nicht der besseren Versorgung seiner Patienten, sind wir raus. Deshalb sind wir darauf angewiesen, immer sehr korrekt, sehr genau zu arbeiten. Nur dann funktioniert auch die persönliche Bindung zu unseren Kunden.

Health Relations: Aber wenn die Tür zu ist, wie macht man sie wieder auf?

Frank Schneider: Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Man muss leider sagen, dass wir manche Türen vielleicht nicht mehr öffnen können. Aber auch das muss man akzeptieren. Was dann wichtig ist, ist zu schauen, in welchen Netzwerken sich die Person bewegt und welchen Zugang wir zu anderen Institutionen oder Akteuren in diesem Netzwerk haben, um zum Beispiel über Fortbildungsveranstaltungen etc. die Informationen trotzdem adressieren zu können. Zum Glück sind diese verschlossenen Türen nicht so zahlreich.

Health Relations: Wie groß ist das Team, das Sie gerade aufbauen?

Frank Schneider: Speziell in der Onkologie ist es ein relativ kleines Team, das aber stetig wächst. In der Gynäkologischen Onkologie sind wir im Feld aktiv und in Zukunft werden wir auch in anderen Indikationsgebieten wie z.B. Lungenkrebs aktiv werden.

„In den allermeisten Fällen werden Video-Calls nur dann durchgeführt, wenn konkrete Projekte besprochen werden.“

Health Relations: Trotzdem: Gibt es einen digitalen Kanal, den der Arzt derzeit besonders bevorzugt? Zum Beispiel die Videosprechstunde?

Frank Schneider: Wir haben im onkologischen Umfeld bei vielen Firmen gesehen, dass die Quote der Videotelefonate unter 10 Prozent der persönlichen Kontakte liegt. In den allermeisten Fällen werden Video-Calls nur dann durchgeführt, wenn konkrete Projekte besprochen werden. Da sind die Fachmediziner:innen bereit, auch Video-Calls zu machen und mittlerweile können das auch alle. Aber wenn jetzt unser Außendienst mit dem Arzt:in nur über ein Produkt sprechen möchte, dann passt der Video-Call in der Regel nicht wirklich in deren Arbeitsalltag und sie wollen es oft auch nicht. Im Moment ist es wirklich so, dass viele sagen: „Kommen Sie mal vorbei“. Wir haben also keine Vorgaben mehr, wie viele Gespräche der Außendienst persönlich am Tag führen muss. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Der Außendienst ist heute viel mehr Projektarbeiter. Er muss Netzwerke bearbeiten und kann nicht mehr rein quantitativ arbeiten.

Health Relations: Ein Berufsbild im Wandel.

Frank Schneider: Ja. Das Berufsbild „Außendienstmitarbeiter“ ist wirklich sehr anspruchsvoll und komplex geworden. Und das wird es auch bleiben.

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