Lotse, Werft, Piratensender: Ihno Fokken und die „Friesische Freiheit“

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Friesische Freiheit: Ihno Fokken über seine neue Agentur
Ihno Fokken, Gründer und Inhaber der Agentur Friesische Freiheit und Kommunikationsverantwortlicher für DSL. © privat
Im Mai dieses Jahres hat Ihno Fokken seine Agentur „Friesische Freiheit“ gegründet – auf dem Grund eines trocken liegenden Schwimmbades. „Mein Meisterstück“, sagt er. Was treibt ihn an? Ein Business-Porträt.

Die „Friesische Freiheit“ hat eine Mission: Sie will ein Leuchtturm sein in der stürmischen See namens Digital Health. Ihr Gründer Ihno Fokken weiß, wovon er spricht. Seit rund 15 Jahren segelt er über dieses Meer, unter anderem als Geschäftsführer bei MW Office oder als CCO bei esanum. Er ist aber auch Ostfriese und weiß um die Historie hinter dem Begriff der „Friesischen Freiheit“. Karl der Große soll den Friesen nach deren Sieg über die Römer im 9. Jahrhundert die Freiheit verliehen haben. Keinen Herren sollten sie über sich haben außer dem  Kaiser. Die moderne Geschichtsschreibung geht davon aus, dass es allerdings Karl der Dicke war, der die standhaften Friesen ob ihres Sieges über die Normannen 885 mit der Freiheit belohnte. Egal. Was bleibt, ist eine starke Geschichte über Stärke und Unbeugsamkeit. Was bleibt, ist Ihno Fokkens eigene Geschichte: Ein Mann, der sich freischwimmt. „Ich kann mich jetzt knallhart an inhaltlichen Dingen orientieren und Projekte umsetzen, die meiner Meinung nach eine Wertsteigerung für das Gesundheitswesen, für die ärztliche Kommunikation darstellen können – ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf wirtschaftliche Interessen eines Konzerns oder persönliche Konstellationen.“

Digital Health: Stürmische Gewässer, unbekannte Tiefen

Dabei ist Ihno Fokken laut eigener Aussage ein miserabler Schwimmer. „An der Küste musst Du Dich entscheiden: Radfahren oder Schwimmen“, lacht er. Aber er kann sich über Wasser halten, und wenn wir das Bild auf seinen Beruf übertragen, sogar einiges mehr. Dann ist er ein Meisterschwimmer, der die Untiefen der Healthcare-Branche kennt. Seit 2006 ist der 48-jährige studierte Soziologe und Medienwissenschaftler in der Healthcare-Branche unterwegs. Angefangen hat alles bei der Ärzte Zeitung als Sales Manager New Media. Damals, sagt er, seien die Gewässer noch ruhiger gewesen. „Die letzten zehn Jahre sind sehr stark geprägt worden von disruptiven Prozessen, die auf der Kommunikationsebene stattgefunden haben. Mediengewohnheiten haben sich durch die Digitalisierung komplett verändert. Am besten war das zu beobachten durch mobile Endgeräte, die das Internet losgelöst haben von bisherigen Nutzungssituationen und nachhaltig unser digitales Verhalten bestimmen.“ Die Gewässer seien so mitunter nicht nur stürmisch, sondern auch in einigen Bereichen unerforscht. „Gerade im Bereich Digital Health muss man wirklich sagen, es sind viele Dinge einfach noch nicht erkundet. Es reizt mich persönlich, hier auf Erkundungsfahrt zu gehen.“

Sixpack. 6 Fragen, 6 Antworten
Schreibtisch: Aufgeräumt oder kreatives Chaos? Beides. Bei laufenden Projekten ist es auch mal kreativer. Aber ich räume immer wieder gründlich auf.
Messaging: Text- oder Sprachnachricht? Eher Text.
Früher Vogel oder Nachteule? Beides. Ich schaffe es nicht, um elf Uhr ins Bett zu gehen. Und ich stehe eigentlich immer früh auf. Schlaf ist immer etwas, wo ich gerne mehr von hätte.
Entscheidung: Bauch oder Kopf? Beides.  Bauchgefühl ist für mich extrem wichtig. Aber auch die rationale Begründung.
Morgens: Ostfriesentee oder Kaffee? Erst Tee, dann Kaffee. Beim Tee bin ich der Bünting-Typ.
Maritimes Gefährt: Motor- oder Segelyacht? Eher Segelyacht. Ich mag die Herausforderung, mit den Ressourcen der Natur zu arbeiten.

„Ein globaler Blick auf die Marktsituation hat massiv gefehlt. Gerade in Zusammenhang mit Kommunikation, Media und Touchpoints gibt es einen hohen Beratungsbedarf.“

Expeditionen brauchen einen gewissen Grad an Risikofreude und Wagemut. Als zweifacher Familienvater gerade in COVID-19-Zeiten den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, diese Entscheidung hat Ihno Fokken sich nicht leicht gemacht. Dennoch war es gerade die Pandemie, die ihm den letzten Anschub gegeben hat. „Ich habe beobachtet, dass es von Pharmaunternehmen ganz viele Fragen an Agenturen gab, die unbeantwortet blieben. Weil diese entweder sehr stark oder einfach nur vertrieblich organisiert sind und gewisse Produkte platzieren wollen. Du hast gemerkt, ein globaler Blick auf die Marktsituation hat massiv gefehlt. Gerade in Zusammenhang mit Kommunikation, Media und Touchpoints gibt es einen hohen Beratungsbedarf. Also habe ich mir gesagt: Butter bei die Fische, mach’ den Schritt.“ Die Zeiten mögen unbeständig sein, die Positionierung der „Friesischen Freiheit“ hingegen ist klar definiert: „Wir scheuen kein Risiko, haben unsere Erfahrungen gesammelt, sind schon durch einige Gewässer geschippert. Wir haben dadurch ein besseres Gespür, wie zum Beispiel das Wetter schwingt, was zu tun ist, wenn ein Sturm anzieht. Diese Sicherheit kann die Agentur vermitteln.“ Die Agentur, das ist im Kern Ihno Fokken alleine. Aber er besitzt ein großes Netzwerk, weiß, wen er für spezifische Fragestellungen mit ins Boot holen kann, um seetüchtig zu bleiben oder um ein Schiff zu bauen, das seine Kunden sicher über die kommunikativen Meere fahren lässt. Für jede Aufgabe kann er eine perfekte Mannschaft zusammenstellen. Das macht ihn beweglich – und wettbewerbsfähig.

„Friesische Freiheit“: Drei Säulen für die Kommunikation

Drei Säulen hat die „Friesische Freiheit“: Lotse, Werft und Piratensender. Der Lotse bietet Orientierung und umschreibt das Beratungsgeschäft. Die Werft kümmert sich um umfassende Projektarbeiten. Der Piratensender ist letztlich das mediale Organ, das für Sichtbarkeit sorgt und gleichzeitig als unabhängige Stimme im Markt fungiert. Ihno Fokken funkt im Videoformat, beispielsweise auf LinkedIn oder YouTube, interviewt Kollegen, ordnet Trends ein oder gibt Insights. Im Hintergrund seiner Videos sind die weißen Kacheln des einstigen Schwimmbads zu sehen, auf dessen Grund er sein Büro in Offenbach am Main eingerichtet hat. Ein originelles wie authentisches Setting, das zur Agenturmarke passt. Unverkrampft, wohlüberlegt, fundiert. „Das Auge isst mit“, sagt Ihno Fokken. Er kennt sich aus mit zielgruppengerechter Kommunikation. Die wichtigste Zielgruppe ist für ihn am Ende der Patient.

Sein Urteil über das, was im Bereich Patient Centricity in den letzten zehn Jahren umgesetzt worden ist, fällt hart aus. Der Begriff sei lange eine Floskel gewesen, der Arzt als Verschreiber und Vermittler zwischen Pharmaunternehmen und Patient:innen wäre oftmals außen vor gelassen worden. „Die Ärzte sind teilweise noch nicht so weit, Digitalisierung zu verstehen oder bereit, in ihren Augen funktionale Prozesse umzuwerfen. Wie stark das ignoriert wird in dieser gesamten Digital Health Diskussion, ist erstaunlich.“ Immer mehr Start-ups würden in den Markt kommen und viel Geld verdienen, dabei aber den Fokus verlieren. „Es wird geschaut: Funktioniert die Lösung, hat sie einen Mehrwert für die Patienten und Patientinnen und wie erhalte ich von der BfArM eine Listung. Es wird viel zu wenig danach gefragt, ob die Anwendung letztlich kommunizierbar gegenüber den Ärzten ist. Wenn diese das nicht verstehen und nicht den Nutzwert erkennen, dann kann ich noch so viel investiert haben, die Ärzte werden sie nicht verschreiben. Mir bleibt nichts anderes übrig, als den sehr teuren und aufwendigen Weg über eine direkte Ansprache der Patienten und Patientinnen zu gehen. Aber damit verliere ich dann sofort meine eigentlich favorisierte Monetarisierungs-Methode. Die Verschreibung. Das haben viele Unternehmen noch nicht gut gelöst.“

„Mich nervt es, wenn Leute bewusst nicht Tacheles reden“

Klare Worte eines Ostfriesen, der Transparenz schätzt und lebt. „Die Kunden, die mich kennen, sind sicherlich manchmal genervt gewesen von meiner sehr klaren und sehr offenen Art und Weise“, lacht er. „Aber mich nervt es, wenn Leute bewusst nicht Tacheles reden, wenn sie nicht wirklich die Sachen benennen aus strategischen und wirtschaftlichen oder politischen Gründen. Denn früher oder später fällt jeder damit auf die Schnauze.“ Ihno Fokken genießt die Freiheit, die er sich mit der Agenturgründung verschafft hat. Er sei jetzt genau dort, wo er hinwolle, könne all seine Erfahrung und sein Know-how einbringen. „Ich habe die Kompetenz und den Spielraum zu machen, was ich will. Das fühlt sich jetzt eigentlich nach einem perfekten Job an.“ Er überlegt, greift dann auf ein Bild aus dem Handwerk zurück. „Der Geselle legt bei der Abschlussprüfung eine praktische Arbeit vor, das sogenannte Meisterstück. Im Grunde ist die ‚Friesische Freiheit‘ mein persönliches Meisterstück.“

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