Dentalunternehmen müssen für Zahnärztinnen eine weibliche Ansprache wählen

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Claudia Huhn vom Zahnärztinnen Netzwerk Deutschland rät Dentalunternehmen, Zahnärztinnen als eigenen Zielgruppe wahrzunehmen.
Claudia Huhn, Zahnärztinnen Netzwerk Deutschland © privat
Wie müssen Dentalfirmen ihr Marketing umstellen, um den Bedürfnissen ihrer künftig überwiegend weiblichen Kunden gerecht zu werden? Claudia Huhn vom Zahnärztinnen Netzwerk Deutschland sagt: „Grundsätzlich legen Frauen einen höheren Wert auf den zwischenmenschlichen, emotionalen Faktor einer Geschäftsbeziehung. Ein gutes Geschäft muss sich eben auch gut anfühlen und sich nicht nur rechnen.“

Aktuelle Studien der ApoBank zeigen, dass inzwischen jede zweite Zahnarztpraxis von einer Frau gegründet wird. Außerdem steigt die Zahl der MVZ unter anderem deshalb, weil diese Form der kooperativen Berufsausübung als besonders familienfreundlich gilt. Welche Auswirkungen haben diese Ergebnisse für die Dentalindustrie und auf welchen Kunden müssen sie sich künftig einstellen? Claudia Huhn glaubt, dass sich in den Marketingabteilungen der Dentalunternehmen etwas ändern muss.

Health Relations: Aktuelle Zahlen belegen, dass die Feminisierung der Zahnmedizin voranschreitet. Was bedeutet das für den Dentalmarkt?

Claudia Huhn: Nichts und doch wieder alles. Wenn der Großteil der Teilnehmer eines Marktes weiblich ist, dann funktionieren viele der klassischen männlichen Vorgehensweisen nicht mehr. Die Notwendigkeit zur Umstellung auf weibliche Vorgehensweisen verunsichert den ganzen Markt, denn oft gibt es diese typisch weiblichen Inhalte gar nicht. Also versucht man eben doch wieder mit Althergebrachtem zu agieren, bzw. nimmt kleine, manchmal sogar lächerlich anmutende Anpassungen vor, von denen man glaubt, dass es so schon gehen wird. Zum Teil sind wir Frauen auch ein klein wenig selbst Schuld an dieser Misere. Noch immer betonen wir zu häufig, dass wir keine „Sonderlocke“ brauchen. Noch immer versuchen wir selbst allzu oft mit männlichen Verhaltensweisen in unserem Berufsalltag zu bestehen.

„die Entwicklungsabteilungen vieler Unternehmen sind noch immer zumeist männlich dominiert. Daraus resultieren ‚männliche Produkte‘ oder solche, von denen Männer denken, dass Frauen sie mögen!

Health Relations: Was sollten Frauen denn stattdessen tun?

Claudia Huhn: Besser wäre es, wenn sie sich der Stärke, die in ihrer Weiblichkeit begründet liegt und der daraus resultierenden Andersartigkeit bewusst würden. Dann könnten Frauen authentisch weiblichen Erfolg produzieren. In einem heterogenen Markt liegt der Fokus in der Regel auf den männlichen Vorgehensweisen. So sind die Entwicklungsabteilungen vieler Unternehmen zumeist männlich dominiert. Daraus resultieren eben oft „männliche Produkte“ oder eben solche, von denen Männer denken, dass Frauen diese mögen bzw. brauchen werden. 

Health Relations: Frauen sollen also zu ihrem Anderssein stehen. Was heißt das in Bezug auf das Marketing? Wollen Zahnmedizinerinnen  anders angesprochen werden als ihre männlichen Kollegen? Worauf sollte die Dentalindustrie achten?

Claudia Huhn: Frauen und Männer sind nun einmal unterschiedlich und das ist auch gut so, aber Frauen wollen nicht zwingend anders angesprochen werden. Allerdings wird es wichtig sein, eine weibliche Sprache zu wählen, wenn es mir wichtig ist, dass meine potenziellen Kundinnen mich verstehen, sich für mein Unternehmen interessieren und aufbauend darauf meine Produkte kaufen.

Health Relations:  Es geht also schlicht um die richtige Zielgruppenansprache?

Claudia Huhn: Ja, kein Mensch würde auf die Idee kommen einen Menschen auf Deutsch anzusprechen, von dem wir wissen, dass er eine andere Muttersprache hat. Dies gilt nicht nur für den Unterschied zwischen Männern und Frauen, sondern grundsätzlich in Marketing und Vertrieb. Wem es gelingt die Sprache des Kunden zu sprechen, der wird die Nase vorne haben. Grundsätzlich legen Frauen einen höheren Wert auf den zwischenmenschlichen, emotionalen Faktor einer Geschäftsbeziehung. Ein gutes Geschäft muss sich eben auch gut anfühlen und sich nicht nur rechnen. 

„Ein gutes Geschäft muss sich für frauen eben auch gut anfühlen und sich nicht nur rechnen“

Health Relations: Für den geschäftlichen Erfolg müssen Zahnärzte auch zunehmend digital arbeiten. Was bedeutet das für die Vermarktung technischer Lösungen an eine weibliche Zielgruppe?

Claudia Huhn: Viele Branchen haben in der Vergangenheit den Prozess der Digitalisierung durchlaufen. Arbeitsschritte, die früher händisch durchgeführt werden mussten, werden jetzt digitalisiert. Das schafft Raum für neue Möglichkeiten, wird auf Dauer die Qualität steigern und ist insgesamt ein Prozess, den man nicht aufhalten kann. Die Herausforderung liegt darin, den Trend nicht zu verpassen, weise abzuwägen, wann man wie und wo einsteigt. Grundsätzlich unterstellen wir ja den Männern eine höhere technische Affinität, allerdings wird auch hier die Dentalindustrie gefragt sein, weibliche Vermarktungswege ins Leben zu rufen. Nämlich Produkte, Schulungen und Konzepte, die dazu führen, dass die Behandlerinnen Lust haben, sich auf diesem Gebiet zu engagieren. 

Health Relations: Eine andere Studie belegt, dass immer mehr Zahnärzte Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance legen. Ist das also der typische zukünftige Kunde der Dentalindustrie weiblich, auf eine gute Work-Life-Balance bedacht und digital unterwegs?

Claudia Huhn: Die häufig proklamierte Work-Life-Balance ist meines Erachtens kein Wunsch der Weiblichkeit, sondern grundsätzlich ein Generation Y Thema. Viele junge Zahnmediziner arbeiten, um zu Leben. Sie leben nicht mehr, um zu arbeiten. Grundsätzlich ist das Großartige an der heutigen Zeit ja, dass jeder seinen eigenen Weg finden kann und es unzählige Beschäftigungsmodelle gibt, die fast jedes Lebensmodell abbilden können. Von der Unternehmerin in Einzelpraxis bis hin zur auf wenige Stunden angestellten Zahnärztin mit Kindern. Vom Unternehmer in einem MVZ bis hin zum Zahnmediziner in Elternzeit.

Im Rahmen unserer Veranstaltungen beim Zahnärztinnen Netzwerk lerne ich immer wieder tolle Frauen kennen, die selbstbewusst ihren Weg gehen, beruflich wie privat. Sicher wird sein, dass die Digitalisierung fortschreiten wird und es liegt an der Industrie und deren Marketingstrategien, wie schnell diese in den weiblich dominierten Zahnarztpraxen Fuß fassen wird.

Health Relations: Was würden Sie der Dentalindustrie raten?

Claudia Huhn: Digitalisierung führt zu einer immer höheren Vergleichbarkeit und damit in der Regel auch Austauschbarkeit der Produkte. Wer hier in Zukunft im Vertrieb weiter auf Produktmerkmale im Vertrieb setzt, wird sich dauerhaft sehr schwertun. Wem es gelingt emotionale Vertriebskompetenzen aufzubauen, der wird erfolgreich sein und das bei jedem Kunden, auch bei weiblichen Behandlerinnen. Denn wer über hervorragende emotionale Vertriebskompetenzen verfügt, dem wird ein Einstellen auf sein Gegenüber, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Persönlichkeit, sehr leicht fallen. 

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