„Pflegepersonaluntergrenzen schränken auch die Arbeit der Ärzte ein“

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Thomas Krakau, Leiter Konzernbereich Pflege bei Asklepios Kliniken
Thomas Krakau, Leiter Konzernbereich Pflege bei Asklepios Kliniken © Asklepios Kliniken

Krankenhäuser kritisieren, dass das seit Beginn des Jahres geltende Gesetz zu Personaluntergrenzen in vielen Häusern auch dazu führt, dass Ärzte ihre Arbeit nicht mehr gut machen können.

Die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) wurden eigentlich eingeführt, um die Krankenhäuser personell besser aufzustellen. Doch in der Praxis erweist sich die Umsetzung als schwierig. Thomas Krakau, Konzernbereichsleiter Pflege bei Asklepios Kliniken, berichtet im Interview, warum sich der Fachkräftemangel nicht so einfach lösen lässt.

Health Relations: Wie sehr macht Ihnen der Fachkräftemangel zu schaffen? Haben Sie wie so viele Krankenhäuser auch Probleme, geeignete Fachärzte zu finden?

Thomas Krakau: In unseren Kliniken in ländlichen strukturschwachen Regionen und insbesondere auch in den neuen Bundesländern haben wir zunehmend Probleme, Facharztstellen zu besetzen. Je kleiner die Klinik bzw. je weniger Fachabteilungen vorgehalten werden, desto schwieriger ist es, qualifizierte Fachärzte zu finden. Aufgrund der Größe des Konzerns können wir aber engagierten Fachärzten durchaus klinikübergreifende Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten in bzw. mit anderen Asklepios Kliniken anbieten.

„Zeitpunkt und Form der Einführung Sind aus unserer Sicht völlig kontraproduktiv.“

Health Relations: Seit Anfang 2019 gilt das Gesetz für Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Thomas Krakau: Die grundsätzliche Idee von Pflegepersonaluntergrenzen wird von vielen Pflegekräften wohl begrüßt. Allerdings ist der Zeitpunkt und die Form der Einführung aus unserer Sicht völlig kontraproduktiv. Nur in einzelnen, pflegesensitiven Bereichen eine Mindestbesetzung festzulegen, führt zu falschen Anreizen und mitnichten zu einer Verbesserung der Situation der Pflege. Die Mindestbesetzungen zu einem Zeitpunkt einzuführen, an dem es auf dem deutschen Markt keine examinierten Pflegekräfte mehr gibt, ist geradezu absurd und hat letztendlich die Schließung von Betten in den Kliniken zur Folge. Die Erfassung und Dokumentation der Verordnung ist geprägt von einer hohen  Misstrauenskultur, ist ungemein aufwändig und bindet dringend benötigte Kapazitäten der Pflege.

Health Relations: Es führt also nicht zu weniger Personalengpässen?

Thomas Krakau: Natürlich nicht, denn die Engpässe sind – ganz besonders auf den Intensivstationen ­– vom Fachkräftemangel geprägt. Die Kliniken würden schon jetzt, also vor Inkrafttreten der Verordnung, gerne Pflegekräfte einstellen. Es sind aber keine auf dem Markt verfügbar.

„Vermutlich müssen Patienten abgewiesen und planbare Operationen verschoben werden.“

Health Relations: Das Fehlen von Pflegepersonal hat ja auch auf die Arbeit der Ärzte Auswirkungen. Wie zeigt sich das?

Thomas Krakau: In der Konsequenz der PpUGV werden insbesondere Intensivbetten nicht belegt werden können, weil Pflegepersonal fehlt und eine Belegung der Betten dann zu finanziellen Sanktionen führen würde. Das schränkt die Arbeit der Ärzte erheblich ein. Vermutlich müssen Patienten abgewiesen und planbare Operationen verschoben werden.

Health Relations: Wie haben Sie als Konzern auf das Gesetz reagiert?

Thomas Krakau: Asklepios hat sehr frühzeitig die Situation des bevorstehenden Fachkräftemangels erkannt und bereits seit fünf Jahren Vorbereitungen getroffen. Zum einen wurden Tätigkeiten, die nicht zwingend von examiniertem Personal ausgeführt werden müssen, wie Essenbestellungen, das Einsammeln von Geschirr oder das Auffüllen von Schränken und dem Lager, an weniger qualifiziertes Personal abgegeben. Zum anderen haben wir frühzeitig mit der Akquise ausländischer Pflegekräfte begonnen. Fast 350 hervorragend ausgebildete philippinische Intensivschwestern sind von uns in Manila (Health Relations berichtete) geschult worden und warten darauf, ein Visum zur Einreise nach Deutschland zu erhalten. Bürokratie hindert uns, die Kolleginnen, die so dringend benötigt werden, in unseren Kliniken einzusetzen. Ein weiteres Problem: Die ausgegliederten Bereiche der Pflegehilfe finden keinerlei Anrechnung in den Untergrenzen, so dass hier der völlig verkehrte Anreiz gesetzt wird, solche pflegefernen Tätigkeiten wieder den examinierten Pflegekräften zuzuordnen.

Health Relations: Krankenhäusern drohen empfindliche Strafen, wenn sie die Vorgaben nicht erfüllen. Es gab auch Häuser, die schon öffentlich befürchteten, Stationen schließen zu müssen. Wie gehen Ihre Mitarbeiter mit dem Druck um?

Thomas Krakau: Einerseits begrüßen die Mitarbeiter klare Bemessungsgrundsätze für einen auskömmlichen Stellenplan, sie würden diese Bemessung aber lieber nach dem tatsächlichen Aufwand erfassen (Pflegepersonalregelung PPR) und nicht nach einem scheinbar statistisch belegten Schema. Andererseits sehen die Pflegekräfte, dass die Regelung nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen wird und nur ein weiteres Dokumentationsmonster erfunden wurde, das an der Realität vorbeigeht.

Health Relations: Zahlreiche Kliniken setzen auf Ausfallmanagement, um ihren Betrieb trotz Fachkräftemangel am Laufen zu halten. Haben Sie auch solche Konzepte entwickelt?

Thomas Krakau: Wir haben verschiedene neuen Konzepte für ein wirkungsvolles Ausfallmanagement insbesondere für die Pflege entwickelt und in einer Klinik sogar mit der Gewerkschaft ver.di tarifiert. Sie regeln die Besetzung der Schichten, wenn Mitarbeiter erkranken oder aus anderen Gründen fehlen. Einen Fachkräftemangel kann man aber mit Ausfallkonzepten keinesfalls bekämpfen. Ansätze aus diesen Modellen sind sicher auch auf den Ärztlichen Dienst übertragbar.

Health Relations: Greifen Sie auch auf Leiharbeit zurück oder könnten Sie sich vorstellen, Leihärzte anzustellen?

Thomas Krakau: Die zeitlich befristete Arbeitnehmerüberlassung ist in der Pflege durchaus üblich. Das wird allgemein unter Leiharbeit verstanden. Im ärztlichen Bereich ist die Arbeitnehmerüberlassung eher schwierig, da hier schnell von einer „Scheinselbständigkeit“ auszugehen ist, die gesetzeswidrig wäre. Auch aus Kostengründen und aufgrund des vergleichsweise kleinen Angebotes greifen unsere Kliniken nur im Ausnahmefall auf ärztliche Leiharbeitnehmer zurück. Seit dem das Thema Honorarärzte seitens der Rentenversicherung zunehmend restriktiv bewertet wird, hat allerdings das Thema Arbeitnehmerüberlassung auch im Ärztlichen Bereich an Bedeutung gewonnen.


Asklepios wurde im Jahr 1985 gegründet. Heute ist der Klinikverband mit rund 160 Gesundheitseinrichtungen Europas größter Klinikbetreiber in privatem Familienbesitz. In Deutschland ist Asklepios mit 47.000 Mitarbeitern in 14 Bundesländern mit medizinischen Einrichtungen vertreten.

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