Who’s who: Han Steutel, Präsident des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen

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Han Steutel, vfa-Präsident, im Businessporträt
© BMS / Carolin Jacklin
„Die Pharmabranche hat mehr Anerkennung verdient“, sagt vfa-Präsident Han Steutel. Wie er das erreichen möchte und was Shakespeare damit zu tun hat, hat er uns im Gespräch verraten.

„Wenn ein neues Smartphone herauskommt, ist die Begeisterung größer, als wenn ein Medikament das Licht der Welt erblickt.“ Han Steutel, seit Oktober 2019 hauptamtlicher Präsident des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), sieht hier Handlungsbedarf, auch seitens der Pharmaindustrie. „Es ist nicht leicht, den Menschen zu vermitteln, wie steinig der Weg in der Forschung sein kann. Wie viel Zeit, Mühe und auch Kosten in die Entwicklung eines innovativen Medikaments fließen.“ Aber genau das müsse man versuchen. „Denken Sie nur an die Fortschritte in der Immunonkologie. Oder an Hepatitis C, was immer sehr schwierig zu behandeln war. Jetzt ist das Hepatitis-C-Virus innerhalb von drei bis vier Wochen in fast 100 Prozent der Fälle ausgerottet. Was für ein fantastischer Durchbruch.“

“Eine Explosion der Wissenschaft!”

Ein Durchbruch, der zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. Die forschenden Pharmaunternehmen haben in den Augen von Han Steutel in der Gesellschaft nicht den Stellenwert, den sie verdienen. Der 60-Jährige möchte das ändern; er möchte das Profil der Branche schärfen. Dafür braucht es mitunter neue, auch mal mutige oder ungewöhnliche Wege in der Kommunikation. Die Zusammenarbeit mit Influencern ist für ihn ein solcher Weg. Unter dem Motto “#Forschung ist die beste Medizin” ließ der vfa 2019 acht Internet-Blogger für einen Tag hinter die meist verschlossenen Türen der medizinischen Forschungsabteilungen von unterschiedlichen Pharma-Unternehmen blicken. Unter ihnen waren zum Beispiel die an MS-erkrankte Bloggerin Samira Moussa (wir berichteten) oder der bekannte YouTuber Christoph Krachten. Die Social-Media-Aktion gipfelte in einer großen Veranstaltung im Berliner Gasometer, bei der alle Teilnehmer von ihren Erfahrungen berichteten. „Für uns war das ein Ansatz, mal etwas anderes zu probieren. Die Begeisterung dadurch zu transportieren, indem wir andere über unsere Arbeit erzählen lassen und unsere Türen für Außenstehende öffnen“, fasst Han Steutel zusammen.


Sixpack:  6 Fragen, 6 Antworten an Han Steutel

  1. Lesen: Analog oder digital? Zeitungen lese ich immer digital, den Rest gerne in gedruckter Form.
  2. Was liegt auf dem Nachttisch: Fachlektüre oder Roman? Ich lese gerne Romane, habe aber oft zu wenig Zeit dafür. Oft liegen dort auch Psychologie-Ratgeber und Biographien.
  3. Nachteule oder Frühaufsteher? Meine Devise: Carpe Noctem.
  4. Urlaub: Pool oder Action? Mit drei Söhnen, was glauben Sie, wie sieht der Urlaub da aus? Action!
  5. Essen gehen oder selber kochen? Meine Söhne Nummer 2 und 3 kochen gut und gerne. Insofern: Wir kochen gerne.
  6. Risiko oder Sicherheit? Überschaubare Risiken. Es muss alles ein bisschen spannend bleiben.

Zu berichten gibt es einiges. „In den letzten Jahren hat die Forschung unfassbare Innovationen hervorgebracht.“ Dabei sei der Bereich der Onkologie derjenige, der sich am schnellsten und stärksten entwickle: „eine Explosion der Wissenschaft!“ Deutsche Studienzentren belegten Rang 3 bei der Mitwirkung an klinischen Studien der Industrie, nach den USA und UK.

„Ich finde, dass Deutschland mit seiner Kultur vorne mitspielen kann und sollte. Das ist die wissenschaftliche Seite. Aber es gibt auch die wirtschaftliche Seite. Wenn wir uns im Fachverständnis von Krebsarten überdurchschnittlich entwickeln, hat das auch einen großen Vorteil für die Volkswirtschaft in Deutschland. Wir können Menschen nicht nur heilen, wir können sie auch schneller zurück in die Erwerbstätigkeit begleiten. Im Zuge des demografischen Wandels ist das von größter Bedeutung, denn in der Altersgruppe unter 65 ist Krebs die häufigste Todesursache.“ Die forschenden Pharmaunternehmen werden in Zukunft, da ist er sich sicher, eine tragende Säule dieser Gesellschaft sein. Damit das funktioniert, braucht es auch in zehn Jahren noch einen guten Zugang zum Markt und eine gute Erstattung für deutsche Pharmaprodukte. Auch diese Perspektive gilt es der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Wer Shakespeares Werke kennt, kennt die Menschen

Vielleicht hilft Han Steutel bei dieser Aufgabe die Tatsache, dass er eigentlich studierter Anglist ist. Gerade hat der Niederländer sich erneut „Romeo and Juliet“ als Lektüre vorgenommen. Shakespeares Werk ist ihm bestens vertraut. „37 Stücke hat er geschrieben, ich kenne sie alle. Glauben Sie mir, wenn sie alle gelesen haben, hat das Leben bezüglich der Interaktion von Menschen keine Überraschungen mehr.“ Mit Sicherheit aber hilft dem Vater dreier erwachsener Söhne seine fundierte Erfahrung in der Pharmabranche. Er hat das Geschäft von der Pike auf gelernt. Seine Karriere startetet 1987 bei AstraZeneca in den Niederlanden als Pharmareferent. „Ich habe es sehr geschätzt, mich mit Wissenschaftlern, Ärzten und Fachärzten auszutauschen und voneinander lernen zu können“, sagt er. „Das hat mich motiviert, in dieser Branche Rollen mit noch mehr Verantwortung zu suchen.“

„Ich denke immer mehr an morgen als an gestern.“

Die hat er gefunden. 1999 wechselte er zu Bristol-Myers Squibb, leitete fünf Jahre als General Manager die niederländische Zentrale, bevor er 2008 in Deutschland die Geschäftsführung des Unternehmens übernahm. Parallel engagierte er sich in unterschiedlichen Organisationen und Industrieverbänden, war Vorsitzender der Pharmagruppe der American Chamber of Commerce der Niederlande und Vorsitzender des niederländischen Verbandes der Forschenden Arzneimittelunternehmen Nefarma (heute VIG).

Außerdem ist Han Steutel im Vorstand des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) tätig und Mitglied des Board of Directors of the American Chamber of Commerce (AmCham). Er bezeichnet sich selbst als ambitioniert, er kann sich an Problemen festbeißen und bringt die nötige Geduld mit, diese dann auch zu lösen. Dieser Wille zeigt sich auch in seinem Privatleben. Dass er ob seines Jobs gemeinsam mit seiner Frau ein Pendelmodel zwischen München und Berlin entwickeln musste, sieht er gelassen. Für den Niederländer ist es sogar die perfekte Ortsmischung: „München ist, so sagen es die Münchner selber, die nördlichste Stadt Italiens.  Berlin ist die östlichste Stadt Hollands.“  Mit Rückblicken hält er sich ungern auf, er schaut lieber voraus, in die Zukunft. „Ich denke immer mehr an morgen als an gestern“, sagt er. „Machen wir das Interview in 15 Jahren noch einmal, dann kann ich vielleicht entspannt zurückblicken. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun.“

 

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