Apps auf Rezept: Wie läuft eine Zertifizierung ab?

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App-Zertifizierung
© Sikov / Adobe Stock
Welchen Anforderungen müssen Apps entsprechen, damit sie durch den Arzt verschrieben werden können? Dr. Michael Berensmann, Projektleiter Medical Apps TÜV Rheinland, erklärt, was der TÜV als Benannte Stelle damit zu tun hat und wie so eine Prüfung abläuft.

Health  Relations: Medizinische Apps werden immer mehr Bestandteil einer medizinischen Therapie. Damit fallen sie auch unter das Medizinproduktegesetz. Warum ist es eigentlich wichtig, dass Apps  diesem entsprechen?

Dr. Michael Berensmann: Für Patienten ist es wichtig, dass eine medizinische App sicher und zuverlässig ist. Solche Apps können im Extremfall durch Fehlfunktion oder Fehlberechnung Menschen schädigen, in kritischen Situationen nicht verfügbar sein, oder vertrauliche Patientendaten nicht zuverlässig schützen. Um dies zu verhindern, sind so genannte „Grundlegenden Anforderungen“ im Medizinproduktegesetz festgelegt, die der Hersteller erfüllen muss. Apps, die nach dem Stand der Technik entwickelt worden sind, dienen der Patientensicherheit.

Health  Relations: Künftig können sie sogar verschrieben werden.  Welchen Vorgaben müssen Apps dann entsprechen?

Dr. Michael Berensmann: Der Hersteller einer App muss anhand des von ihm definierten bestimmungsgemäßen Gebrauchs festlegen, ob es sich um ein Medizinprodukt handelt. Kommt er zu dem Schluss, dass es sich um ein Medizinprodukt handelt, muss er alle Anforderungen des Medizinproduktegesetzes und ab Mai 2020 zwingend die der neuen Medizinprodukterichtlinie (MDR) einhalten. Um dies nachzuweisen, führt er ein so genanntes Konformitätsbewertungsverfahren durch. Hier bringt er Nachweise, dass er unter anderem Risikomanagement durchführt, die Gebrauchstauglichkeit sicherstellt und die Software nach dem Stand der Technik entwickelt. Ab einer gewissen Sicherheitsklassifizierung muss der Hersteller eine Benannte Stelle – wie beispielsweise die TÜV Rheinland LGA Products GmbH – bei diesem Verfahren einbinden.

„Hersteller von Medizinischen Apps müssen alle Anforderungen des Medizinproduktegesetzes erfüllen und dies dokumentieren“

Health  Relations: Wie genau testen Sie die Apps, um festzustellen, ob sie den Vorgaben entsprechen?

Dr. Michael Berensmann: Für Apps, die der „Sicherheitsklasse Im“ oder höher zugeordnet sind, prüfen wir zunächst das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers. Der Hersteller muss nachweisen, dass er alle notwendigen Prozesse implementiert hat und diese überwacht. Dies prüfen wir bei Audits vor Ort. Zusätzlich prüfen wir stichprobenhaft die Dokumentation zu Apps, die nachweist, dass die erwähnten Grundlegenden Anforderungen erfüllt sind. Diese Dokumentation reicht der Hersteller bei der TÜV Rheinland LGA Products GmbH als Benannte Stelle ein und wir prüfen dann, ob Dinge wie beispielsweise die klinische Bewertung den Anforderungen entsprechen.

Health  Relations: Was müssen Unternehmen tun, wenn ihre Apps den Vorgaben nicht entsprechen?

Dr. Michael Berensmann, Projektleiter Medical Apps TÜV Rheinlanderklärt, wie medizinische Apps zertifiziert werden.
Dr. Michael Berensmann, Projektleiter Medical Apps TÜV Rheinland, © TÜV Rheinland

Dr. Michael Berensmann: Sie müssen nachbessern. Hersteller von Medizinischen Apps müssen alle Anforderungen des Medizinproduktegesetzes erfüllen und dies dokumentieren. Erst wenn dies der Fall ist, dürfen sie das CE-Zeichen anbringen und das Produkt in Verkehr bringen. Dies kann er erst nach einer Analyse tun, in der die fehlenden Punkte aufgedeckt und geschlossen werden. Falls es bei dem Konformitätsbewertungsverfahren erforderlich ist, eine Benannte Stelle einzubeziehen, sollte der Hersteller sich selbstverständlich an eine Benannte Stelle wenden.

Beraten Sie Unternehmen auch, damit diese den Vorgaben entsprechende Apps herausbringen können?

Dr. Michael Berensmann: Nein, das tun wir nicht. Als Benannte Stelle dürfen wir nicht beraten. Dies würde einen Interessenkonflikt darstellen.


TÜV Rheinland ist ein weltweit führender unabhängiger Prüfdienstleister mit 145 Jahren Tradition. Im Konzern arbeiten über 20.000 Menschen rund um den Globus. Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von knapp 2 Milliarden Euro. TÜV Rheinland prüft technische Anlagen, Produkte und Dienstleistungen, begleitet Projekte, Prozesse und Informationssicherheit für Unternehmen. Die Experten trainieren Menschen in zahlreichen Berufen und Branchen. Dazu verfügt TÜV Rheinland über ein globales Netz anerkannter Labore, Prüfstellen und Ausbildungszentren.

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